Ipecacuanha. Brechwurzel. Rubiaceae.

Botanical name: 

Name: Uragóga ipecacuánha Baill. (= Cephaëlis ipecacuanha Willd., = Psychotria ipecacuanha Stokes,. = Ipecacuanha officinalis Arr.). Brechwurzel, Ruhrwurzel. Französisch: Ipéca; englisch: Ipecacuanha root, Ipecacuan; dänisch: Bräkrod (amerikanisch); italienisch: Ipecacuana; norwegisch: Brekkrot; polnisch: Wymiotnica; russisch: Rwotnyj korień; schwedisch: Kräkrot; tschechisch: Ipekakuanha pravá, hlavěnka dávivá.

Verbreitungsgebiet: Angebaut in Ceylon, Vorderindien, Malakka.

Namensursprung: Ipecacuanha stammt aus der Tupissprache, hieß ursprünglich pecaá-guéne (am Wege-Kraut-brechenerregend) und bezeichnete einige Menispermaceen. Wegen der Ähnlichkeit der Wurzel mit der echten Brechwurzel wurde der Name später auf diese übertragen und von den Brasilianern in Ipecacuanha umgebildet.

Botanisches: Die in Brasilien heimische Uragoga ipecacuanha Baillon, ein bis 40 cm hohes Kraut, wächst gesellig an feuchten Stellen der Wälder. Ihr Wurzelstock, aus dem zahlreiche Nebenwurzeln und einige an der Basis Adventivwurzeln tragende Stengel treiben, ist kurz und dünn. Im Verlaufe des Wachstums verdickt sich eine Anzahl der Nebenwurzeln sehr stark, während die abzweigenden Wurzelfasern das Wachstum einstellen. Die verdickten Nebenwurzeln bilden ausgegraben und getrocknet die Radix Ipecacuanhae. Der oberirdische Stengel ist unten etwas holzig und nackt, nach oben krautartig, vierkantig und mit kurzen Haaren besetzt. Er verästelt sich kaum und trägt gegenständige, kurzgestielte Blätter. Diese sind länglich oder verkehrt eiförmig und etwa 3 cm breit und 7 cm lang, ganzrandig, etwas wellig, oberseits dunkler, unterseits heller grün. Oberseite und Blattrand tragen kurze Borsten, die Unterseite nur auf den Nerven. Die Blüten bilden zu 8-20 ein halbkugeliges Köpfchen mit zwei Paaren kreuzweise gestellter Hüllblätter. Die Blüten sind zwittrig. Der Kelch hat fünf kurze Zipfel. Die weiße Krone ist trichterförmig, nach oben bauchig erweitert und hat fünf Zipfel. Staubgefäße: fünf. Der zweiteilige Fruchtknoten ist unterständig. Frucht eine fleischige, eiförmige Steinfrucht, die bei der Reife schwarzviolett wird.

Geschichtliches und Allgemeines:

Die ersten Nachrichten, die wir von der Droge haben, stammen von dem holländischen Arzte Wilhelm Piso und von Georg Marcgraf aus Liebstadt in Sachsen, die den Grafen Moritz von Nassau-Siegen auf seiner brasilianischen Expedition (1636-1641) begleiteten. Obgleich die Brechwurzel in Brasilien allgemein in der Heilkunde gebräuchlich war, wurde sie in Europa erst durch Legras, der einen Vorrat davon dem Apotheker Claquenelle in Paris übergab, im Jahre 1672 eingeführt. Großes Ansehen erlangte sie einige Jahre später, als ein junger holländischer Arzt, Helvetius, der eine größere Quantität als Geschenk von einem Patienten erhalten hatte, sie als Geheimmittel gegen Dysenterie mit so großem Erfolge verwandte, daß Ludwig XIV. sich veranlaßt sah, ihm die Bekanntgabe der Arznei für 1000 Louisdor abzukaufen und ihm noch das Privilegium des Alleinverkaufes zu erteilen. In Deutschland machte besonders Leibnitz auf die neue Droge in den Verhandlungen der Leopoldinischen Societät der Naturforscher vom Jahre 1696 in der Schrift "De novo antidysenterico americano" aufmerksam. Sie wurde als Vomitivum, Diaphoretikum, Expektorans und gegen Dysenterie gebraucht. Im Jahre 1699 untersuchte Boulduc die Droge zum ersten Male auf ihre wirksamen Bestandteile, aber erst über 100 Jahre später konnten Magendie und Pelletier aus ihr ein allerdings noch recht unreines Alkaloid isolieren, das sie Emetin nannten. In Indien hat, seitdem im Jahre 1858 mit der Verordnung von Ipecacuanha gegen Dysenterie begonnen wurde, die durch diese verursachte Sterblichkeit stark nachgelassen. Der botanische Ursprung der Droge wurde durch den portugiesischen Arzt Gomez endgültig festgestellt, der im Jahre 1800 einige Exemplare der Pflanze von Brasilien nach Lissabon brachte.

Wirkung

Ipecacuanha wird seit dem 17. Jahrhundert in Europa als Emetikum verwandt (Dragendorff, Die Heilpflanzen d. versch. Völker u. Zeiten, S. 635.), die alten Kräuterbücher wissen deshalb noch nichts von ihr zu sagen.

Dagegen weiß Weinmann (Weinmann, J., Phytanthoza iconographia, Bd. III, S. 175, Regensburg 1742.) schon einiges von der Heilkraft der Ipecacuanha zu berichten und rühmt sie besonders als Ruhrmittel: "Am allermeisten aber beweiset diese Wurtzel in allen Durchfällen des Bauches, vornehmlich in Stillung der Ruhr, gantz gleich zu Anfang der Kranckheit gegeben, unvergleichliche Kräffte, indem sie nicht nur die Materie, welche zur Kranckheit Anlaß giebet, sie mag noch so gifftig und ansteckend, auch anhaltend seyn, wie sie wolle, loss machet, und dieselbe mehrentheils aufs gelindeste oben, meistens auch unten aus abführet, und zugleich durch ihre anziehende und stärckende Theile den Gedärmen ihre Krafft und Tonum wieder giebet." Weiter empfiehlt er sie bei Hämoptoe, Fluor albus, Schwindel infolge von gastrischen Störungen und schreibt von einem Fall, wo sie sich in einer lang "anhaltenden hinfallenden Kranckheit" (Epilepsie?) bei einem Kinde bewährt habe.

Im Heilmittelschatz Hufelands (Hufeland, Enchirid. med., S. 73, 119, 265, 276, 294, 297, 418, 430, 519, 533, 541, 545, 550, 554; Journal, Bd. 1, S. 109, 110, 586, Bd. 29, XI., S. 121, Bd. 30, V., S. 27, Bd. 32, V., S. 107, Bd. 33, II., S. 18, Bd. 35, IX., S. 40, 48, Bd. 37, XI., S. 58, Bd. 41, IV., S. 26, Bd. 42, VI., S. 49, Bd. 43, IV., S. 104, Bd. 47, I., S. 46, 59.) spielte sie eine sehr große Rolle; er verordnete sie auch in kleinen Dosen (zweistündlich 0,015 g) mit bestem Erfolg als krampfstillendes Mittel, gegen Krampfhusten, Engbrüstigkeit, Uterus- und Pneumorrhagien nervösen Ursprungs, krampfhafte Hemmungen aller Se- und Exkretionen, selbst bei Ileus. Seine Mitarbeiter gaben Ipecacuanha bei Brechdurchfällen, Dysenterie, Retentio urinae, Hämorrhagien u. a.

Seit Helvetius in Paris die Ipecacuanha bei Dysenterie anwandte, hat sie einen festen Platz in der Behandlung gegen die Amöbenruhr in der ganzen Welt erobert und erhalten. 1829 begann Bardsley ein Alkaloid der Brechwurzel, nämlich das Emetin, gegen Dysenterie zu empfehlen. Zunächst wurden die Ruhrkranken per os behandelt, seit 1912 aber durch Rogers (Rogers, Brit. med. Journ. 1912, I, S. 1424; Brit. med. Journ. 191, II, S. 405; Lancet, Okt. 1912; Ther. Gaz. Dez. 1912.) durch subkutane Injektionen von Emetinlösungen. Er konnte mit subkutanen Emetininjektionen sowohl bei der gefährlichsten Form der Amöbendysenterie (nach ihm tötet salzsaures Emetin die Dysenterie-Amöben bereits in einer Lösung von 1 : 100 000), als auch bei mittelschweren Fällen, ferner bei chronischer Dysenterie, bei akuter Hepatitis mit drohendem Leberabszeß und bei Abszessen in Leber und Milz außerordentlich gute Resultate erzielen. Er berichtet u. a. von einem Falle, der infolge gangränöser Erscheinungen trotz zweimaliger Injektion von 0,06 und 0,12 g Emetinhydrochlorid zum Tode geführt hatte. Bei der Obduktion zeigte sich die schnelle spezifische Wirkung des Emetins auf Amöben. Weder in den gangränösen Geschwüren noch im Darm waren Amöben nachzuweisen. Etwas einschränkender über die Wirkung des Emetins bei Amöbendysenterie äußern sich Baermann und Heinemann (Baermann und Heinemann, Münchn. med. Wschr. 1913, S. 1132 und 1210.), die es wohl ein stark amöbotropes bzw. amöbozides Mittel nennen, aber der Ansicht sind, daß eine totale Amöbenabtötung nur in ganz seltenen Fällen erzielt wird. Berichte über erfolgreiche Behandlungen der Amöbendysenterie mit Emetin veröffentlichten u. a. auch Dufour (Dufour, Semaine médicinale 1913, 16, S. 190.) und Hutcheson (Hutcheson, China med. Journ. 1913, S. 213.).

Der Begeisterung über diese großen Erfolge folgte eine gewisse Ernüchterung, als sich herausstellte, daß diese schnellen klinischen Heilungen keine parasitologischen sind. In einer mehr oder weniger großen Anzahl von Fällen treten die Dysenterieerreger nach einiger Zeit wieder auf, wobei z. T. subjektiv und objektiv keine Erkrankung mehr festzustellen ist. Man hat versucht, die Träger der Krankheitserreger durch Darreichung größerer Dosen keimfrei zu machen. Die Erfolge waren aber nicht befriedigend. Sie wurden erst wieder besser, als man wieder zur Darreichung per os zurückging und entweder gleichzeitig oder abwechselnd mit den Emetineinspritzungen Ipecacuanhawurzel selbst in hohen Dosen reichte (Magnus, Heffter-Heubners Handb. d. exp. Pharmakologie, Bd. II, 1, S. 465.).

Delany (Delany, Indian Medical Gazette 1913, S. 180.) erzielte gute Resultate mit der Behandlung mit Ipecacuanha bei Dysenterie mit Hepatitis und bei Cholelithiasis. Nach Valassopoulos (Valassopoulos, Bulletin et mémoires de la société médicale des hôpitaux 1913, S. 1008.) leistet Emetin auch gute Dienste als Styptikum bei Hämoptoe und rektalen Blutungen infolge von Darmkarzinom.

In Brasilien findet die Ipecacuanha Anwendung bei Dysenterie, Durchfall, katarrhalischer Halsentzündung, Krupp, Lungengrippe, Lungenblutandrang und akuter Bronchitis (Guertzenstein, ärztlicher Führer durch die brasilianische Pflanzenmedizin, S. 200.).

Auch in England (Bentley and Trimen, Medicinal Plants, Bd. II, S. 145.) ist der Gebrauch der Ipecacuanha gegen chronische Dysenterie und Diarrhöe bekannt. Weiter wird sie in großen Dosen als Emetikum, in kleineren als Expektorans und Diaphoretikum angewandt. Als Diaphoretikum wird sie häufig in Verbindung mit Opium, das ihre Wirkung unterstützen soll, so z. B. im Pulvis Doveri, gegeben. In Indien gilt Ipecacuanha fast als Spezifikum gegen akute Dysenterie.

Von Lehmann (Lehmann, zit. nach Pharm. Ztg. 1936, Nr. 97, S. 1312.) wird vorgeschlagen, die ausländische Droge Ipecacuanha als Expektorans durch die einheimische Primula zu ersetzen.

Verschiedene andere Autoren, darunter auch Janson (Janson, ärztliche Sammelblätter 1937, H. 12, S. 169.), sind der Meinung, daß man Rad. Ipecacuanha durch Rad. Violae odoratae ersetzen kann. Nach seinen Beobachtungen muß man aber höhere Dosen anwenden, wenn man den gleichen Erfolg haben will. Als ein Rezept, das genau so wirksam ist wie ein Ipecacuanharezept, schlägt er vor:

Decoct. rad. Violae odorat. 5,0-175,0
Liq. ammon. anisat. 5,0
Sirup. Althaeae ad 200,0
S.: Zwei- bis dreistündlich 1 Eßlöffel.

Die Brechwurzel mit den beiden Alkaloiden Emetin und Cephaëlin greift vor allem die Schleimhäute an, deren Gefäßkapillaren sie lähmt (Meyer-Gottlieb, Exp. Pharmak., S. 216.). Äußerlich verursacht sie heftige Konjunktivitis und Entzündung des Naseneingangs (Kobert, Lehrb. d. Intoxik., S. 346.), profusen Schnupfen, Husten, Heiserkeit, bei Überempfindlichen sogar asthmatische Anfälle (Poulsson, Lehrb. d. Pharmak., S. 144.). Auch Lungenödem und katarrhalische Pneumonie wurden beobachtet (Henke-Lubarsch, Handb. d. spez. path. Anat. u. Hist., Bd. 10, S. 366.). Durch reflektorische Wirkung von der Magenschleimhaut aus kommt es zu Nausea und heftigem Erbrechen, zu Gastroenteritis, Diarrhöe, Schmerzen, Abgeschlagenheit, Pulsverlangsamung, Dyspnoe, Hypotension, Muskellähmung, Anurie (Marfori-Bachem, Lehrb. d. klin. Pharm., S. 450.). Die Magen- und Dünndarmschleimhaut zeigt starke Blutfülle (Harrison, Lancet, Aug. 1908, S. 537.), schleimig-eitrige Exsudation und Ulzerationen; auch rote Hepatisation wurde beobachtet ((Vgl. 17), S. 145.). Der Tonus der glatten Muskulatur wird durch Emetin herabgesetzt (Pick u. Wasicky, Naunyn-Schmiedebergs Arch. 1916, Bd. 80, S. 147.). Durch Erregung der Nervenendigungen der Drüsen wird die Speichel-, Schweiß- und Darmsekretion vermehrt. Von besonderer Wichtigkeit ist die Vermehrung der Bronchialsekretion und Verflüssigung des Sekrets, die die Anwendung der Ipecacuanha als Expektorans rechtfertigt ((Vgl. 19).). Auf der Haut ruft der Staub von Ipecacuanha heftig juckende Bläschen, bullöse Dermatitiden und masern- und scharlachartige Exantheme hervor ((Vgl. 18).). Außer gegen Amöben-Dysenterie und dysenterische Leberabszesse wird Emetin erfolgreich angewandt bei Bilharzia ((Vgl. 15); Tyskalas, Wien. klin. Wschr. 1921, Nr. 48.). Bei bazillärer Dysenterie ist es nur insofern nützlich, als es die Darm-Muskulatur erschlafft und dadurch die Tenesmen lindert ((Vgl. 15).).

Mit der pharmakologischen Wirkung des Cephaëlins beschäftigten sich Zopf (Zopf, Dissertat. Rostock 1903.) und Lowin (Lowin, Dissertat, Rostock 1912.) eingehend. Sie kamen zu dem Ergebnis, daß zwischen der Wirkung des Emetins und der des Cephaëlins kein qualitativer, sondern nur ein quantitativer Unterschied besteht. Beide Alkaloide wirken stark emetisch, das Cephaëlin jedoch doppelt so stark wie das Emetin. In den Bindehautsack gebracht, bewirkt Cephaëlin eine stärkere Reizung als Emetin. Beide Alkaloide führen durch Herzparalyse zum Tode. Zopf stellte als letale Dosis für Cephaëlin 0,032 g und für Emetin 0,057 g pro kg Körpergewicht fest.

Außer den Alkaloiden Emetin und Cephaëlin werden als Inhaltsstoffe u. a. noch angegeben die Alkaloide Psychotrin, Ipecamin, Hydro-Ipecamin, Methylpsychotrin, ein Glykotannoid, das Glykosid Ipecacuanhin und Saponin (Wehmer, Pflanzenstoffe, II, 1931, 1175.). Rosenthaler und Gordonoff (Rosenthaler und Gordonoff, Schw. med. Wschr. 1937, Nr. 20, S. 450.) widerlegen die von Pfister geäußerte Ansicht, daß nur das Saponin von der Ipecacuanhawurzel der wirklich expektorierende Faktor ist. Sie konnten durch Experimente nachweisen, daß auch die Alkaloide, ebenso wie das Saponin, die Schleimbildung vermehrt. Sicher ist anzunehmen, daß das Ipecacuanhasaponin dabei die expektorierende Wirkung der Alkaloide unterstützt.

Bezüglich der Zubereitungen stellten Bauer und Heber (Bauer und Heber, Pharmaz. Zentralhalle 1930, Nr. 33.) fest, daß bei der Zubereitung eines Infuses 1 : 400 nahezu die gesamte Menge der Alkaloide aus der Droge aufgenommen wird, während bei höherer Konzentration der Alkaloidgehalt der Infuse zunehmend sinkt und bei einer Konzentration 1 : 20 nur etwa die Hälfte der gesamten vorhandenen Alkaloide für die Arzneiform nutzbar gemacht wird.

Untersuchungen zeigten, daß die Alkaloide der Brechwurzel fast ausschließlich in den peripheren Rindenparenchymzellen lokalisiert sind (Wagenaar, Pharmac. Weekbl., 72, 513-17, 11. 5. 1935.). Hinsichtlich des Saponingehaltes wurde in der homöopathischen Urtinktur ein hämolytischer Index von 1 : 100, im Teep-Präparat ein solcher von 1 : 1000 festgestellt (Nach eigenen Untersuchungen; vgl. auch Kuhn u. Schäfer, Pharm. Ztg., 80, S. 257, 1935).

Die homöopathische Heilwirkung beschreibt Hahnemann (Hahnemann, i. Hufelands Journal, Bd. 26, II., S. 34, Bd. 2, S. 503.) folgendermaßen: "Außer Piso, Huck und Meyer haben noch eine Menge Ärzte die Durchfall stillende Kraft der Ipecacuanha anerkannt. Wie könnte sie aber Durchfall so kräftig stillen, wenn sie nicht selbst dergleichen, wie bekannt (Murray), für sich zu erzeugen geeignet wäre? - Wie könnte sie mehrere Blutflüsse stillen (Bagliv, Barbeirac, Gianella, Dalberg, Bergius und viele andere), wenn sie nicht welche zu machen (Murray, Geoffroy) imstande wäre?" "Am sichtbarsten wirkt sie als ein der zu behebenden Krankheit ähnlich wirkendes Mittel bei chronischer Neigung zum Erbrechen ohne Materie. Da gibt man sie in sehr kleinen Gaben, um Übelkeit zu erregen, und die Neigung zum Erbrechen verschwindet bei jeder Gabe immer mehr und dauerhafter, als durch alle Palliativmittel."

Anwendung in der Praxis auf Grund der Literatur und einer Rundfrage:

Die größte Heilwirkung entfaltet die Ipecacuanha bei der Amöbendysenterie und anderen Amöbenerkrankungen. Sie wirkt hier nicht keimtötend, sondern resistenzsteigernd, ähnlich wie der Knoblauch bei der Breslauinfektion der Mäuse. In gleicher Weise dürfte auch die gute Wirkung bei der Bilharzia zu erklären sein.

Unter den durch Amöben verursachten Erkrankungen, die sich besonders durch Emetin beeinflussen lassen, ist die Pyorrhoea alveolaris zu nennen, die nach Bass und Jones u. a. durch subkutane Gaben von 30 mg 3-6 Tage lang, die von Zeit zu Zeit wiederholt werden sollen, geheilt wird. Von M. Mayer u. a. wurden Heilerfolge auch bei der Bilharzia-Krankheit beschrieben.

Ein zweites großes Indikationsgebiet ist die Lunge. Die Wirkung beruht nach Magnus auf der nauseosen Wirkung und der gesteigerten Sekretion der Schleimhäute der Atemwege, zweitens auf der Aufhebung eines etwa vorhandenen Bronchialkrampfes. Um eine solche Wirkung zu erzielen, sind emetische Dosen erforderlich. Ob sie auch schon durch nicht emetische Dosen auftreten, muß nach Magnus noch bewiesen werden.

Eine gewisse Berühmtheit hat das Doversche Pulver erlangt, das zur Sanitätsausrüstung der meisten Heeresverwaltungen gehört. Es stellt eine Mischung dar aus Ipecacuanhawurzel und Opium, also eigentlich zweier Antagonisten in bezug auf die Bronchialsekretion und Darmperistaltik. Als Expektorans wird Ipecacuanha angewendet zur Verflüssigung des zähen Schleims bei schweren Bronchialkatarrhen, Asthmabronchiale, Krampfhusten, Keuchhusten und auch bei Lungengangrän (hier am besten im Wechsel mit Inhalationen von Sublimat 1 : 1000). Eine dritte Anwendung der Ipecacuanha ist die als Brechmittel. Während das Emetin erhebliche Darmreizungen verursacht, ist dieses bei der Anwendung der Droge nicht der Fall (Meyer-Gottlieb). Entsprechend der sehr langsamen Resorption tritt eine anhaltende Nausea und nach genügender Gabe, z. B. bei Erwachsenen 1-2 g, in einer halben bis einer Stunde Erbrechen ein. Die brechenerregende Wirkung ist angeblich nach subkutaner und intravenöser Injektion von Emetin vorhanden, sie tritt aber auch nicht schneller ein als bei stomachaler Darreichung. Doch ist es nach den neuesten Veröffentlichungen nicht anzunehmen, daß beim Menschen bei subkutaner Anwendung eine Brechwirkung erzielt wird. Emetin ruft in Dosen von 10-15 mg Nausea und später Erbrechen hervor. Wegen der langsamen Wirkung ist die Rad. Ipecacuanhae als Brechmittel nur wenig gebräuchlich.

In kleineren, auch homöopathischen Gaben, ist die Anwendung von Ipecacuanha sehr beliebt, und zwar 1. bei Erkrankungen des Magen- und Darmtraktus wie chronischer Gastritis und Enteritis (Stühle schaumig, wäßrig, schleimig, mit oder ohne Blutung mit dauerndem Übelkeitsgefühl und Brechneigung mit leerem Aufstoßen und zeitweise auftretenden kolikartigen Schmerzen, besonders in der Nabelgegend), Vomitus, auch stillender Mütter, Cholera asiatica, Cholerine, Dysenterie, Dyspepsie, Flatulenz, Magengrippe und Milcherbrechen der Säuglinge. Sehr zufrieden äußert sich auch Atzrott, Berlin, über die Brechwurzel, der sie in D 3 und D 6 mit fast "selektiver" Wirkung bei Cholangitis (vorwiegend mit Racoszybrunnen) anwandte und auch bei Ikterus mit Diarrhöe gute Resultate erzielte. Charakteristisch für die meisten Magen- und Darmerkrankungen, bei denen Ipecacuanha angezeigt ist, ist eine reine Zunge.

Recht wichtigist Ipecacuanha ferner als Hämostyptikum (hellrote profuse Blutungen aus Lunge und Uterus vorwiegend anämischer Patienten) und wird hier gern im Wechsel mit Hydrastis gegeben. Bei Malaria mit vorwiegend gastrischen Symptomen ist sie im Wechsel mit Cedron und China beliebt.

Des weiteren wird sie bei Migräne, Gesichtsneuralgie, Herzneurosen, Stirnkopfschmerz, Catarrhus aestivus, Urtikaria, Pruritus und Enuresis genannt.

Als Wechselmittel wird häufig Belladonna verordnet.

Angewandter Pflanzenteil:

Es herrscht in der Literatur völlige Einmütigkeit, daß die wirksamen Stoffe in der Wurzel enthalten sind.

In dem HAB. wird die vorsichtig getrocknete, verdickte Wurzel als Ausgangsmaterial für die Tinktur genannt (§ 4).

Diese wird auch zur Herstellung des "Teep" verwendet.

Radix Ipecacuanhae ist offizinell in allen Arzneibüchern.

Dosierung:

Übliche Dosis:0,01-0,05 g Rad. Ipecacuanhae als Expektorans mehrmals täglich (Klemperer-Rost);

0,5-1 g Rad. Ipecacuanhae mehrmals hintereinander als Brechmittel (Klemperer-Rost);
0,5-1,2 g Rad. Ipecacuanhae bei Ruhr, insbesondere Amöbenruhr (Klemperer-Rost);
10-20 Tropfen der Tinktur mehrmals täglich als Expektorans (Klemperer-Rost);
0,03-0,1 g des Fluidextraktes als Expektorans (Klemperer-Rost);
1 Tablette der Pflanzenverreibung "Teep" drei- bis viermal täglich als Expektorans.
(Die "Teep"-Zubereitung ist auf 10% Pflanzensubstanz eingestellt, d. h.
1 Tablette enthält 0,025 g Rad. Ipecacuanhae, oder bei 2,4% Alkaloidgehalt der Droge, berechnet auf Emetin, 0,6 mg Alkaloide.)
Ipecacuanha soll möglichst nicht auf nüchternen Magen verordnet werden.

In der Homöopathie:dil. D 1-4.

Maximaldosis:0,15 g pro dosi, 1 g pro die (als Brechmittel 2 g) Rad. Ipecacuanhae (Dan.);

2 g pro dosi, 2 g pro die Rad. Ipecacuanhae (Gall.);
0,15 g pro dosi (als Emetikum 2 g), 1 g pro die Extraktum fluidum Ipecacuanhae (Dan.);
0,05 g pro dosi, 0,1 g pro die Emetinum hydrochloricum (DAB. VI).

Rezeptpflichtig:Rad. Ipecacuanhae, Tinctura Ipecacuanhae, Extractum Ipecacuanhae, Pulvis Ipecacuanhae opiatus, Emetinum et ejus salia.

Homöopathische Zubereitungen bis D 3 einschließlich.
Bei der Dosierung ist zu beachten, daß manche Patienten eine Idiosynkrasie (überempfindlichkeit) gegen Ipecacuanha haben, die sich in unverhältnismäßig starker, schon bei kleinen Gaben auftretender Brechwirkung oder darin zeigt, daß auch bei kleinen Gaben ohne Brechwirkung starke Dyspnoe oder suffokatorische Erscheinungen (Erstickungsanfälle) eintreten. Als Gegenmittel wird Quebracho empfohlen (Hager).

Rezepte:

Als Expektorans bei Bronchialkatarrh (nach Trendelenburg):

Rp.:
Infus. Rad. Ipecacuanhae . . . 0,5 : 100
(Oft als Zusatz: Liq. ammon. anisat. 2,0.)
Sirupi simpl. . . . ad 150
M.d.s.: Tägl. 3-6 Eßlöffel.
Rezepturpreis etwa 1.58 RM.

Bei Bronchialasthma (nach Rost-Klemperer):

Rp.:
Rad. Ipecacuanhae pulv. . . . 0,6
Stibii sulfurati aurantiaci . . . 1,2
Extr. Hyoscyami . . . 0,6
Rad. et Succi Liquiritiae dep.
q. s. ut f. pil. Nr. LX. Consp. Pulv.
Rad. Althaeae.
D.s.: Zweistündlich 2 Pillen.

Bei Diarrhöe (nach Hufeland):

Rp.:
Rad. Rhei . . . 0,12
Rad. Ipecacuanhae . . . 0,015
M.f. pulv. dispens. dos. VIII.
D.s.: ½stündlich 1 Pulver.
Rezepturpreis ad scat. etwa 1.23 RM.

Zur Anregung der Sekretion und Stillung des Hustenreizes:

Rp.:
Pulv. Ipecacuanhae opiat. . . . 0,5
D. t. d. No. XX
D.s.: Dreimal täglich 1 Pulver.
(Wegen des Opiumgehaltes nicht kleinen Kindern zu geben.)
Maximaldosis f. Pulvis Doveri: 1,5 g pro dosi, 5 g pro die (DAB. VI).
Zusammensetzung:
Rad. Ipecacuanhae . . . 1
Opii pulv. (10% Morphin) . . . 1
Sacchari lactis pulv. . . . 8
Rezepturpreis ad scat. etwa 2.04 RM.

Lehrbuch der Biologischen Heilmittel, 1938, was written by Dr. Med. Gerhard Madaus.