Pareira brava. Grießwurz. Menispermaceae.

Botanical name: 

Name: Chondrodéndron tomentósum Ruiz et Pavon. Grießwurz. Englisch: Virgin vine; französisch: Pareira brava.

Namensursprung: Chondrodéndron von χονδρ_ς (chondros) = Korn, Krümchen und δ_νδρον (dendron) = Baum, tomentosus = filzig. In der Literatur auch Chondodendron genannt, bei Tschirch neben Pareirawurzel auch Pereirawurzel.

Botanisches: Chondrodendron tomentosum ist ein holziger Kletterstrauch von beträchtlicher Größe. Der Stengel erreicht 10 cm im Durchmesser. Rinde rauh. Blätter wechselständig, Blattstiele sehr lang, an beiden Enden verdickt. Spreite breit eiförmig, am Grunde mehr oder weniger herzförmig, am oberen Ende stumpf oder zugespitzt, ungeteilt, ungefähr 12,5 cm lang (unsere Art soll 30 cm erreichen), ziemlich dick und lederartig, kahl und oberseits grün, unterseits dicht bedeckt und mit einem feinen, kurzen, grauen Haarfilz, am Grunde fünfnervig, die Mittelrippe stark entwickelt, die Adern unterseits hervortretend. Blüten eingeschlechtlich (zweihäusig?), sehr klein, in lockeren, verlängerten Rispen, Blütenstiele kürzer als die Blüten. Männliche Blüten: sechs Kelchblätter in zwei Reihen, verkehrt-eiförmig bis spatelig, aufrecht, glatt, fleischig, außen umgeben von drei Quirlen von dachziegelartig liegenden, eiförmigen, gewimperten, außen behaarten Nebenblättern, drei in jedem Quirl, die äußeren die kleinsten, sechs kleine, schuppenförmige, eiförmige Kronenblätter, sechs Staubgefäße, die mit den Kronenblättern abwechseln. Die Staubfäden breit, das Connektiv ausgedehnt, über die Staubbeutel in einem Fortsatz verlängert, der nach der Mitte der Blüte gedreht ist. Keine Spur eines Stempels. Weibliche Blüten: Blütenhülle wie bei den männlichen Blüten, Staubgefäße entweder fehlend oder sehr klein rudimentär. Fruchtknoten gewöhnlich sechs, aufrecht, auf einem kurzen Fruchtknotenträger glatt, einfächrig, mit einem einzigen, seitlich befestigten Ei. Die Frucht zusammengesetzt aus sechs (oder einer geringeren Zahl) völlig getrennten, länglich eiförmigen, glatten, purpur-schwarzen Steinfrüchten, jede fast 2,5 cm lang auf kurzem Stiel am verdickten, holzigen Fruchtträger, von dem sie strahlig abspreizen. Fleisch der Frucht spärlich, Kerne dünn, lederig, oval, mit einer Scheidewand, die von der Basis halbwegs zur Spitze der Höhlung läuft. Same stark gekrümmt, verdoppelt über der Scheidewand, an welcher er angeheftet ist. Samenschale dünn, häutig. Keimling, bestehend aus zwei sehr großen Keimblättern und einer kleinen Wurzel. Kein Endosperm. - Heimat. Brasilien.

Geschichtliches und Allgemeines:

Als portugiesische Missionare im 17. Jahrhundert nach Brasilien kamen, lernten sie den Gebrauch einer Wurzel kennen, die von den Indianern unter dem Namen Abutua oder Butua gegen Steinleiden verwendet wurde und der man große Heilkräfte nachrühmte. Die Droge wurde nach Lissabon gebracht und erregte dort die Aufmerksamkeit vieler Personen, darunter auch die von Amelot, dem Gesandten Ludwig XIV., der einige Exemplare im Jahre 1688 nach Paris mitnahm. Der bekannte Botaniker Tournefort beschrieb die Wurzel und brachte eine Abbildung. Ein Zeugnis für die Wirksamkeit gab auf Verlangen der französischen Akademie Professor Geoffroy, der verschiedene erfolgreiche Fälle bei der Behandlung von Blasenentzündung und Harnverhaltung anführte. Helvetius, der Leibarzt Ludwig XIV. und Ludwig XV., wandte die Droge viele Jahre mit großem Erfolge an. Durch Sloane wurde sie in England bekannt, während sich Lochner 1719 Verdienste um ihre Einführung in Deutschland erwarb. Hauptsächlich wurde die Pareira bei Erkrankungen der Harnorgane gegen Grieß und Harnsteine sowie gegen Gelbsucht verwendet. Über den botanischen Ursprung herrschte lange Zeit Unklarheit, auch Linné war noch der Ansicht, daß Cissampelos pareira die Mutterpflanze sei.

Wirkung

Nach v. Haller (v. Haller, Medicin. Lexicon, 1755, S. 1108.) wird der Grießwurz mildernde, krampfstillende und treibende Kraft zugeschrieben, und Hecker (Hecker, Pract. Arzneimittell., 1814, Bd. 1, S. 194.) hält das Mittel bei Hydrops, Ikterus und Fluor albus für dienlich. Er erwähnt auch, daß Helvetius es als Spezifikum bei allen Nieren- und Blasenkrankheiten nannte, daß es jetzt aber außer Gebrauch sei.

Michael Brandt (Michael Brandt, Glückliche Stein-Cur, Hamburg 1724.) hat von der Wurzel recht guten Effekt bei Steinleiden gesehen. "Die Nieren aber von dem Sand zu reinigen, und zu befreyen, kan nur im Anfange, da das Übel noch neu ist, durch nichts bessers gehoben werden als durch die Wurtzel, Barera Brava, genannt, welche gekocht, und anstatt des Thees alle Morgen muß getruncken werden."

Hufeland (Hufeland, Journal, Bd. 21, I., S. 52.) veröffentlicht eine Mitteilung des Hofrats Löffler, der das Mittel mit Erfolg gegen rheumatische Schmerzen verordnete.

Clarus (Clarus, Handb. d. spec. Arzneimittell., 1860, S. 1058.) berichtet über den Gebrauch der Wurzel in ihrem Mutterlande und in England bei Katarrhen der Urogenitalorgane, Pyelitis, gegen Katarrhe der Respirationsorgane und als Diuretikum ähnlich der Uva ursi.

Als Hauptindikationen gibt Potter (Potter, Mat. med., 1898, S. 374.) chronische Cystitis, eitrige Nierenerkrankungen und Gonorrhöe an.

Brockhaus (Brockhaus, Biol. Heilkunst 1932, Nr. 50.) erzielte gute Erfolge mit Pareira brava bei Prostatahypertrophie.

Die Homöopathie (Clarke, A Dict. of pract. Mat. med., Bd. II, S. 721; Stauffer, Klin. hom. Arzneimittell., S. 748; Schmidt, Lehrb. d. hom. Arzneimittell., S. 240; Heinigke, Handb. d. hom. Arzneiwirkungsl., S. 491.) bedient sich ihrer bei schmerzhaften Blasenleiden (Harndrang mit Schmerzen in der Eichel, Harnzwang heftigster Art), veraltetem Blasenkatarrh, Prostatahypertrophie und Nierenkolik.

Infolge ihres Gehaltes an den Alkaloiden Bebeerin, "Alkaloid" B 4 (Faltis, Monatsh. Chem. 1912, Bd. 33, S. 873.) und Chondrodin (Scholtz, Arch. Pharm. 1911, Bd. 249, S. 408.) wirkt die Wurzel wahrscheinlich ruhigstellend auf die glatten Muskeln der Harnwege, wodurch sich ihre Verwendung als Mittel gegen Cystitis, Beschwerden infolge Urolithiasis und als Diuretikum erklärt (Wasicky, Lehrb. d. Physiopharm., S. 711.).

Sie soll auch laxierend wirken (Vgl. 5).).

Alfred Bertho und Friedrich Moog (Alfred Bertho u. Friedrich Moog, Dissertat. München 1934.) untersuchten die Alkaloide der Pareirarinde. Sie beschreiben die Konstitution des Geissospermins (0,2 bis 0,25% der lufttrockenen Rinde) und des Pereirins, das aus den methylalkoholischen, wäßrigen Mutterlaugen der Geissosperminkristallisation gewonnen wird.

Anwendung in der Praxis auf Grund der Literatur und einer Rundfrage:

Pareira brava ist bei Erkrankungen der Urogenitalorgane indiziert. Im einzelnen verordnet man die Grießwurz bei chronischer und akuter Cystitis mit ständigem Tenesmus vesicae und Harnzwang (Urin dick, schleimig und scharf), bei Blasen- und Nierensteinen, Nierenkoliken, Harndrang mit Schmerzen bis in die Oberschenkel, Pyelitis calculosa (hier von Donner, Berlin, als eines der besten Mittel gerühmt), Urethritis, Aszites, Prostatahypertrophie, Prostatitis, Gonorrhöe und Fluor albus.

Auch bei Asthma und von F. H. W. Schmidt bei Leberverhärtung der Alkoholiker wird sie genannt.

Als Wechselmittel sind vor allem Cantharis, Sabal serrulata und Cannabis beliebt.

Angewandter Pflanzenteil:

Alle Literaturstellen geben die getrocknete Wurzel als verwendeten Pflanzenteil an. Auch das HAB. läßt zur Herstellung der Tinktur die getrocknete Wurzel verwenden (§ 4). Aus dieser wird ebenfalls das "Teep" hergestellt, solange frische Wurzeln nicht zu beschaffen sind.

Dosierung:

Übliche Dosis:
1 Teelöffel voll (= 2,3 g) der Wurzel zum kalten Aufguß oder heißen Infus täglich.
1 Tablette der Pflanzenverreibung "Teep" dreimal täglich.
(Die "Teep"-Zubereitung ist auf 50% Pflanzensubstanz eingestellt, d. h. 1 Tablette enthält 0,125 g Rad. Pareirae.)

In der Homöopathie:

dil. D 1-2.

Maximaldosis:

Nicht festgesetzt.

Rezepte:

Bei Blasen- und Nierenleiden, Prostatahypertrophie:

Rp.:
Rad. Pareirae conc. . . . 30 (= Grießwurz)
D.s.: 1 Teelöffel voll mit 1 Glas Wasser kalt ansetzen, 8 Stunden ziehen lassen, abgießen, den Teerückstand mit 1 Glas kochendem Wasser übergießen, beide Aufgüsse vermischen und tagsüber trinken.
(Teezubereitung: Der Extraktgehalt des heiß bereiteten Tees betrug 0,76% gegenüber 0,60% bei kalter Zubereitung. Die entsprechenden Aschengehalte der Extrakte betrugen heiß 0,11% und kalt 0,09%. Die Peroxydasereaktion war in beiden Zubereitungen negativ. Geschmacklich konnte ein Unterschied zwischen beiden Zubereitungen nicht festgestellt werden.).

Lehrbuch der Biologischen Heilmittel, 1938, was written by Dr. Med. Gerhard Madaus.