Convolvulus sepium. Zaunwinde. Convolvulaceae.

Name: Convólvulus sépium L. Zaunwinde, Uferwinde, Große Winde, Zaunglocke. Französisch: Grand liseron, manchette de la vierge, veillée; englisch: Great Bindweed, bear bind; italienisch: Campanelle, viluccio, convolvolo; dänisch: Gärde-Suerle; norwegisch: Strandvindel; polnisch: Kielisznik, powoj; russisch: Wjunok; schwedisch: Snårvinda; ungarisch: Szulák.

Weiteres Vorkommen: Westasien. Sibirien, gemäßigtes Nordamerika. Australien, Java, Neuseeland.

Namensursprung: Convolvulus ist abgeleitet vom lateinischen convolvere = zusammenwickeln wegen der sich zusammenfaltenden Blätter; der Name findet sich bereits bei Plinius. Der deutsche Name Winde nimmt Bezug auf den windenden Stengel.

Botanisches: Die in Europa, Westasien, Nordafrika, im gemäßigten Nord- und Südamerika, in Australien und Neufundland verbreitete ausdauernde, 1-3 m lange, windende Pflanze besitzt einen kriechenden Erdstock und kletternde oder kriechende Stengel. Ihre großen, langgestielten Laubblätter haben aus pfeilförmigem Grunde eiförmig-längliche bis dreieckige Form. Die große, trichterförmige Blumenkrone ist weiß, selten rotgestreift oder rosa. Der Blühvorgang ist nicht ausschließlich vom Sonnenlicht abhängig, sondern erfolgt auch in mondhellen Nächten. Bei feuchtem, regnerischem Wetter schließen sich die Blüten (ombrophob oder regenscheu); an schattigen Orten bildet die Pflanze meist überhaupt keine Blüten, sondern vermehrt sich durch Sprosse, die vom Rhizom ausgehen, und oberirdische, wurzelschlagende Äste. Die Frucht ist eine Kapsel mit meist vier oder drei schwarzen Samen. Durch ihre Zirkumnutation können die Triebspitzen bei günstigem Wetter in 1 Stunde 48 Minuten eine Kreisbahn durchlaufen (Kerner). - Als Standort bevorzugt die Große Winde feuchte Böden in Auenwäldern, Ufergebüschen (die sie zu schwer durchdringlichen Dickichten verflechten kann), kiesige Uferstrecken (hier am Boden kriechend), Hecken, Zäune, aber auch als Apophyt Weinberge und feuchte Getreideäcker.

Geschichtliches und Allgemeines:

Die Behauptung, daß Convolvulus sepium der Smilax des Dioskurides sein soll, läßt sich nicht mit Sicherheit beweisen. Dioskurides redet nicht von den Heilkräften seines Smilax, sondern nur von den schädlichen Eigenschaften der Frucht. Ein Autor des 16. Jahrhunderts, Antonius Constantin stellte eine große Ähnlichkeit der Wirkung der Zaunwinde mit der der Skammonienwinde fest und verordnete sie zusammen mit Honig oder Sauerampfer, Zichorie, Anis und Minze. Dann geriet die medizinische Verwendung der Zaunwinde mehr und mehr in Vergessenheit, und erst in neuerer Zeit wurde sie verschiedentlich wieder als Abführmittel genannt. Doch ergeben nach Vollmer die geschichtlichen, botanischen und chemischen Unterlagen schwerlich den Schluß, daß sie "lange ungerecht vernachlässigt" wurde.

Wirkung

Lonicerus (Lonicerus, Kreuterbuch, 1564, S. 281.) weiß von der Großen Zaunwinde nur zu berichten, daß ihr Blütensaft den aufgetriebenen Füßen dienlich sei.

Das gleiche schreibt Matthiolus (Matthiolus, New-Kreuterbuch, 1626, S. 348 C.), dem aber auch schon die purgierende Wirkung der Blätter bekannt ist.

In späterer Zeit geriet die Winde in Vergessenheit.

H. Schulz (Schulz, Wirkg. u. Anwendg. d. dtsch. Arzneipfl., S. 142; Droz, Die Heilpflanzen, 1926, S. 140.) konnte über die Verwendung als Abführmittel in der neueren Volksmedizin nichts in Erfahrung bringen.

Nach Künzle (Künzle, Salvia 1931, S. 80.) sind die Blüten im Volke auch als Fiebermittel und Diuretikum beliebt, und er konnte beobachten, wie eine Lungenentzündung durch Windenblütentee in einer Nacht geheilt wurde.

In neuerer Zeit haben sich einige Ärzte und Forscher der Zaunwinde wieder angenommen. So bezeichnet sie Stirnadel (Stirnadel, Hippokrates 1934, Nr. 2.) als "eins unserer besten Abführmittel", das er zusammen mit Spec. carminativae erfolgreich verordnet.

In Frankreich waren es Leclerc (Leclerc, Paris médical 1918.) und Brissemoret (Brissemoret, Journ. d. Practiciens 1901.), die sich für die bevorzugte Anwendung der Winde einsetzen. Nach letzterem enthält die Zaunwinde in allen Teilen, hauptsächlich aber in der Wurzel, einen gummiartigen, harzigen Stoff, dessen abführende Wirkung gleich der anderer - exotischer - Convolvulaceen (Jalapa, Skammonienwinde) ist, der aber den Vorteil besitzt, weniger leicht löslich in alkalischen Mitteln, wie z. B. im Speichel zu sein. Daher besitzt er einen weniger scharfen Geschmack und übt eine geringer reizende Wirkung auf den Darm aus, ohne daß die purgierenden und cholagogen Effekte dadurch verringert würden.

Vollmer (Vollmer, Klin. Wschr. 1936, S. 1036; ders., Naunyn-Schmiedebergs Arch. f. exp. Path. u. Pharm. 1934, Bd. 176, S. 550.) beobachtete mit Dosen von 2-20 (!) Gramm der Blätter in Form des Infuses in 27 Versuchen an Kaninchen und Mäusen niemals eine abführende Wirkung, im Gegenteil infolge des Gerbstoffgehaltes (etwa 10%) zum Teil eine Stopfwirkung. Dagegen besaßen die Wurzeln nach Entfernung der störenden Gerbstoffe im Tierversuch eine Abführwirkung.

Schultzik (Schultzik, Klin. Wschr. 1936, S. 1038.) hatte auch bei Kranken, die eine Verstopfung aufwiesen, keine Erfolge. Er konnte in Versuchen mit der Duodenalsonde keine gallentreibende Wirkung feststellen.

Peyer (Peyer, Pharm. Ztrlh. 1936, S. 237.) fand in Bestätigung älterer Autoren nur in der Wurzel der Zaunwinde Harz.

Auch Lendle erwähnte in einem Vortrage (Lendle, L., Vortrag auf dem Kongreß der Naturforscher u. Ärzte, Dresden 1936.), daß die abführende Wirkung von Convolvulus jeder Begründung entbehre, da der Gerbstoffgehalt eher eine stopfende Wirkung ausübe.

Angewandter Pflanzenteil:

Die alten Kräuterbücher wissen von der Verwendung der Blätter, Blüten und Samen beider Winden (Convolvulus sepium und C. arvensis) zu berichten, und Lonicerus spricht vom Windenwasser "Gebrannt mitten im Meyen / da die weissen Glöcklin anhangen."

Geiger erwähnt, daß von C. arvensis das Kraut, von C. sepium Kraut und Wurzel früher offizinell gewesen wären und fügt besonders hinzu, daß Convolvulus sepium kräftiger sei.

Buchheim nennt von beiden Arten nur die Wurzel, und auch Dragendorff führt nur die Wurzel mit ihrer purgierenden Wirkung an. Allen läßt die Tinktur aus der Wurzel von C. arvensis herstellen.

Bei Clarke findet sich dieselbe Angabe.

Leclerc verordnet einen Tee von den Blättern oder auch eine Tinktur aus der Wurzel von C. sepium.

Schulz führt nur die Wurzel beider Arten an.

Thomas nennt als Droge die oberirdischen Teile von C. arvensis, der aber oft C. sepium beigemengt sei.

Geßner wieder erwähnt den Wurzelstock beider Winden als Volksmittel. Flamm-Kroeber bezeichnen als Sammelgut die blühende Pflanze und als Sammelzeit den Juni-Juli, ihre Angaben beziehen sich auf C. sepium.

Künzle empfiehlt Blüten und Blätter beider Windenarten.

Ich möchte nach den obigen Angaben empfehlen, zur Bereitung der Arzneien die ganze blühende, frische Pflanze zu verwenden. Dieses Ausgangsmaterial wird auch zur Herstellung des "Teep" benutzt.

Das HAB. läßt das frische, blühende Kraut von Convolvulus arvensis (§ 3) verwenden.

Sammelzeit: Juni bis Juli.

Dosierung:

Übliche Dosis:
1-1,5 g des Saftes (Leclerc);
1-2 g des Wurzelpulvers (Droz).

Maximaldosis: Nicht festgesetzt.


Lehrbuch der Biologischen Heilmittel, 1938, was written by Dr. Med. Gerhard Madaus.