Oleander. Rosenlorbeer. Apocynaceae.

Botanical name: 

Name: Nérium oleánder L. Oleander, Rosenlorbeer. Französisch: Nérier à feuilles de laurier rose; englisch: Oleander; italienisch: Leandro, mazza di san Guiseppe; polnisch: Oleander; russisch: Oleandr.

Namensursprung: Nerium, griechisch ν_ριον (nerion), ist bei Dioskurides der Name von Nerium odorum. Oleander wird anscheinend vom lateinischen olea = Ölbaum unter Bezugnahme auf die diesem ähnlichen Blätter abgeleitet.

Botanisches: Nerium oleander ist ein im Mittelmeergebiet heimischer kleiner Baum oder bis 5 m hoher Strauch, der bei uns vielfach als Kübelpflanze gezogen wird. Die Blätter sind lanzettlich, lederartig glatt. Die roten oder weißen Blüten mit trichterförmigem Kelch stehen in endständigen Rispen. Der Rosenlorbeer ist an mildes Klima und an geschützte Orte gebunden. Alluvialboden, der auch in heißen Sommern genug Feuchtigkeit bewahrt, sagt ihm am besten zu. Andererseits gedeiht er ebenso üppig in ausgetrockneten Bächen mit kiesigem und sandigem Untergrund, wenn diese wenigstens zeitweise Wasser führen. Blütezeit: Juli bis September. - Die Vermehrung dieses Strauches kann sehr leicht durch Stecklinge erfolgen.

Geschichtliches und Allgemeines:

Als Giftpflanze wird der Oleander bereits nach Theophrast auf dem Alexanderzug erwähnt, und zwar machte er sich besonders bei den Zugtieren als gefährlich bemerkbar. Ebenso war die Giftwirkung Plinius und Galenus bekannt. Auch Dioskurides berichtet, daß die Blätter und Blumen für Hunde, Esel, Maulesel und andere vierfüßige Tiere ein tödliches Gift seien, und daß besonders Schafe und Ziegen leicht daran stürben. Ein Oleanderwein wurde gegen den Biß giftiger Schlangen verwandt, sonst brauchten die Alten ihn nur als äußerliches Mittel. Im 16. Jahrhundert wird der Oleander als Zierpflanze in der Schweiz und in Bayern gefunden. Die giftigen Eigenschaften der Pflanze sollen sich sogar dem Fleisch, welches an den aus Oleanderholz geschnitzten Bratspießen aufgehängt wird, mitteilen. So ist bekannt, daß von 12 französischen Soldaten, die 1908 ihre Fleischration an einem als Bratspieß verwendeten Oleanderbäumchen kochten, 8 starben und vier schwer erkrankten. Weinmann berichtet, daß Menschen, die von einem Hasen gegessen hatten, der mit Oleanderblättern ausgestopft gewesen war, daran gestorben seien. Um Nizza brauchen die Bauern das Pulver der Rinde und das Holz als Rattengift, und die Bettelmönche der Provence benutzten die Pflanze zur Entfernung von Ungeziefer. In Algier pflanzen die Eingeborenen Oleanderzweige in die Getreidefelder, um Rhizophagenlarven zu vertreiben. Äußerlich wenden sie den Oleander gegen Krätze an.

Wirkung

Bock (Bock, Kreutterbuch, 1565, S. 338.) und Matthiolus (Matthiolus, New-Kreuterbuch, 1626, S. 385 D.), die beide den Oleander als "Unholdenkraut" führen, warnen vor seinem Gebrauch, da er Mensch und Vieh tötet, es sei denn, daß jemand von giftigen Tieren gebissen wurde, in welchem Falle "ein Gift das andere vertreibt".

Der Pflanzenblätterabsud hat emmenagoge und abortive Wirkung und wird als Heilmittel bei Malaria verwandt (Henke-Lubarsch, Handb. d. path. Anat. u. Hist., Bd. 10, S. 360.).

Bei Medikation der aus den frischen Blättern bereiteten Tinktur beobachtete v. Oefele (Vgl. 13).), daß der Puls langsamer, regelmäßiger und kräftiger wurde und eine erhebliche Diurese bzw. Erhöhung des spezifischen Gewichts des Harns eintrat.

Ähnliche Beobachtungen hatte Pouloux in Frankreich schon einige Jahre früher gemacht (Pouloux, Contribution à l'historie médicale du laurier rose, Thèse de Paris, 1888.).

1866 fand Pelikan im Oleander ein der Digitalis ähnliches Herzgift. 1883 extrahierte Schmiedeberg mit 50%igem Alkohol aus den Blättern, 1912 Leulier aus der Rinde und den Samen zwei stickstoffhaltige, herzwirksame Substanzen, das Oleandrin und das Neriin. In getrockneten Oleanderblättern aus Sizilien fand Straub 1,15% Gesamtglykosid bzw. 5000 FD. je Gramm Droge. Das Gesamtglykosid bezeichnet er als Phenolglykosid (Zit. nach Weese, Digitalis, S. 69, Leipzig 1936.).

Flury und Neumann (Flury u. Neumann, Klin. Wschr. 1935, S. 562.) untersuchten ein von der Firma Schering-Kahlbaum in den Handel gebrachtes, chemisch einheitliches, kristallisiertes Glykosid, das dem Oleandrin nahesteht und mit Folinerin bezeichnet worden ist. Es ist durch besonders hohe Wirksamkeit ausgezeichnet und zeigt in pharmakologischen Versuchen die typischen Wirkungen der Digitalisstoffe. Am isolierten Froschherzen führen noch Verdünnungen von 1 : 500 000 zu klonischem Stillstand. Ein Milligramm Folinerin nach der zeitlosen Methode gemessen entspricht 1200 FD. Die Versuche ergaben, daß das Folinerin hervorragend resorbierbar ist. Gegenüber dem Digitoxin hat es verschiedene Vorteile. Es ist z. B. gegen verdünnte Säuren sehr widerstandsfähig, auch ist es haltbarer. So hatte Digitoxin nach 4 Stunden 70%, nach 24 Stunden 90% seiner Anfangswirkung verloren, Folinerin war jedoch nach 4 Stunden noch voll wirksam und selbst nach 48 Stunden betrug die Wirksamkeit noch 60% des Anfangswertes, wenn man die Reinglykoside bei 37 Grad der Einwirkung von 0,18% Salzsäure aussetzte. Weiter hat es den Vorteil, daß es nicht so nachwirkend ist wie Digitoxin, also die Gaben häufiger wiederholt werden können. Junge Männer im Alter von 25-35 Jahren konnten 1 mg des Glykosids auf mehrere Dosen tagsüber verteilt einige Tage lang ohne irgendwelche Beschwerden nehmen.

Schwab (Schwab, Klin. Wschr. 1935, S. 564; derselbe, Klin. Wschr. 1936, 37, S. 1309.) erprobte die Wirkung des Folinerins an 80 Kranken mit zum Teil hochgradigen Herzinsuffizienzerscheinungen und Störungen in der Reizleitung. Es erreicht die volle Wirkung der Digitalis in bezug auf Puls, Diurese, Körpergewicht, Stauungserscheinungen und subjektives Befinden der Patienten. Die diuretische Wirkung ist besonders auffällig. Auf Störungen der Reizbildung und Reizleitung zeigt es ebenfalls die volle Wirkung der Digitalis.

Nach Lepel (Lepel, Münchn. med. Wschr. 1936, Nr. 12, S. 477.) liegt das Folinerin in seiner Wirkung anscheinend zwischen Digitalis und Strophanthin. Er konnte raschere Pulsverlangsamung als bei Digitalis, sowie die der Digitalis eigene kumulative Wirkung feststellen, konnte aber Arhythmien damit nicht beseitigen. Es wirkt nach ihm pulsverlangsamend, ruft im Elektrokardiogramm eine Verlängerung des PR-Intervalls hervor, läßt gelegentlich eine negative T-Zacke wieder positiv werden, kumuliert leicht und erzeugt eine starke Diurese. Besonders günstig scheinen die resorptiven Verhältnisse vom Darm aus zu sein.

Vergiftung mit Oleanderblättern erzeugt Gastroenteritis mit hämorrhagischer Diarrhöe (Gadamer, Lehrb. d. chem. Toxikol., Göttingen 1924.), Nausea, Kopfschmerzen, Vomitus, Pulsverlangsamung, Zyanose der Hände (Wateff, Dtsch. med. Wschr. 1901, S. 801.), neuromuskuläre Störungen und Störungen der Herzfunktion (Coronedi, Sperimentale 1932, S. 51.), Vertigo und Appetitstörungen (v. Oefele, Reichsmed.-Anzeiger 1891, S. 203.).

Coronedi (Coronedi, nach Fühners Sammlung v. Vergiftungsfällen, Bd. 4, Liefg. 3, 1933.) beschreibt u. a. folgenden Vergiftungsfall durch Oleanderblätter: Eine 22jährige Frau hatte um 7 Uhr, angeblich irrtümlich, eine Abkochung von Oleanderblättern getrunken. Es trat schmerzhaftes, unstillbares Erbrechen ein mit großer Schwäche. Die Überführung ins Krankenhaus erfolgte um 22 Uhr, aber schon nach ½ Stunde trat dort im Kollaps der Tod ein, wodurch eine klinische Beobachtung unmöglich gemacht wurde. Bei der Sektion zeigten Herz und Gefäße keinerlei pathologische Veränderungen.

Banerja (Banerja, Med. Gazette 1923, 58, S. 20.) berichtet über eine Vergiftung mit Gelbem Oleander, der unter das Essen (Reis, Bohnen, Curry) gemischt worden war. Gleich nach dem Essen machte sich Brennen auf der Zunge bemerkbar, dann wurden Zunge und Rachen gefühllos, es folgten Erbrechen, Sehstörungen, Schwäche, Bewußtlosigkeit. Der Tod trat 2-3 Stunden nach dem Essen ein. Die homöopathische Wirkungsweise beschreibt Hahnemann (Hahnemann, i. Hufelands Journal, Bd. 2, S. 504.) wie folgt: "Von der Herzklopfen, Angst und Ohnmacht hervorbringenden Eigenschaft des Unholdoleanders (Nerium oleander) läßt sich in einigen Arten chronischen Herzklopfens usw., auch wohl in der Fallsucht etwas Gutes erwarten. Er treibt den Unterleib auf und mindert die Lebenswärme und scheint eine der wirksamsten Pflanzen zu seyn."

In der neueren homöopathischen Literatur (Stauffer, Klin. hom. Arzneimittell., S. 734; Heinigke, Handb. d. hom. Arzneiwirkungsl., S. 475.) wird Oleander u. a. bei Lähmungen, Krampf und Reizbarkeit der Darmmuskulatur, bei Übelkeit mit Ohnmachten und Kälte der Unterglieder, bei Herzklopfen, juckenden Kopfausschlägen und abendlichem Hautjucken genannt.

Hinsichtlich der Erhaltung der Fermente in Zubereitungen aus Oleander wurde festgestellt, daß im "Teep"-Präparat Peroxydase und Katalase erhalten geblieben waren, während in der homöopathischen Tinktur die Katalase nicht und die Peroxydase nur bedeutend schwächer nachweisbar waren. Bei der Auswertung von Oleanderzubereitungen in "Teep"-Form zeigte die Droge pro Gramm 2500 FD., während das "Teep" berechnet auf Droge pro Gramm 3850 FD. enthielt. Die Droge verlor beim Trocknen einmal 44%, einmal 48%, hingegen in der "Teep"-Zubereitung einmal 30%, einmal 28%. Bei den Versuchen an Mäusen wurden vorübergehende Lähmungserscheinungen an den hinteren Extremitäten beobachtet (Nach eigenen Untersuchungen; vgl. auch Kuhn u. Schäfer, Pharm. Ztg., 80, 1029, 1935.).

Anwendung in der Praxis auf Grund der Literatur und einer Rundfrage:

Oleander enthält Digitaloide und kann bei den für Strophanthus gültigen Indikationen angewandt werden. Er setzt deutlich die Pulsfrequenz herab und steigert die Diurese, beeinflußt jedoch nicht so eindeutig die Fälle von Tachykardie mit Arhythmia perpetua. Er wird rektal besser vertragen als peroral. Die Kontraindikationen sind: Myokardinfarkt, Angina pectoris, frische infektiöse Myokarditis.

In homöopathischen Dosen wird er bei schmerzfreien, lähmungsartigen Zuständen, Apoplexie, nervöser Erschöpfung, Vertigo, Gedächtnisschwäche, Kopfschmerzen, Schlaflosigkeit, Folgen von Arterienverkalkung, spinaler Kinderlähmung, Epilepsie, Glieder- und Muskelkrämpfen und Paralysis agitans, ferner bei Diarrhöen, Blähungen mit unwillkürlichem Stuhlabgang und chronischer Dyspepsie mit Flatulenz gebraucht.

Auch bei Dermatopathien, insbesondere nässenden Ekzemen (Flechten und nässenden Stellen hinter den Ohren, am Hinterkopf und Hals, häufig durch Reibung entstanden, Hodenflechten), Crusta lactea und Kopfgrind wird das Mittel gebraucht.

Angewandter Pflanzenteil:

Schon Matthiolus und Bock erwähnen die Giftwirkung der Blätter.

Auch Geiger bezeichnet die Blätter als offizinell.

Das HAB. nennt zur Bereitung der Essenz die frischen, vor Beginn der Blüte gesammelten Blätter (§ 3).

Auch Thoms und Hager nennen die Blätter als verwendet.

Das "Teep" wird ebenfalls aus den frischen Blättern bereitet, die zu Beginn der Blütezeit (Juli) geerntet werden.

Oleander ist offizinell in Mexiko.

Dosierung:

Übliche Dosis:
0,05 g Fol. Oleandri in Pillen (Leclerc);
15 Tropfen Folinerin-Tropflösung dreimal täglich (15 Tropfen enthalten 0,2 mg Folinerin = 240 FD. pro Dosis).
Nach 8 Tagen verringert man die Dosis. 20 Zäpfchen Folinerin rektal in 8-14 Tagen (jedes Zäpfchen enthält 0,2 mg Glykosid) (Schwab).
1 Tablette der Frischpflanzenverreibung "Teep" dreimal täglich.
(Die "Teep"-Zubereitung ist auf 10% eingestellt, d. h. 1 Tablette enthält 0,025 g Pflanzensubstanz = etwa 100 FD. Zum Vergleich sei darauf hingewiesen, daß 0,1 g Folia Digitalis 200 FD. enthält.)

In der Homöopathie:

dil. D 3-4.

Maximaldosis:

Nicht festgesetzt, doch ist Vorsicht bei der Anwendung größerer Gaben geboten; vgl. Wirkung. Cave Schwangerschaft.
Wie Baumann mitteilt, werden junge zwei- bis dreijährige Pflanzen in Frankreich als Abortivum benutzt.

Verträglichkeitsprüfung am Gesunden:

Oleander "Teep" D 1 zeigt beim Gesunden keine Wirkung. 1 Tablette "Teep" 0 zerkaut wirkt besser als 1 Kapsel "Teep" 0 ganz heruntergeschluckt. Nach 1 Tablette "Teep" 0 zeigten etwa die Hälfte der Prüflinge Erscheinungen, und zwar Auftreten von starker Müdigkeit und Schlappwerden. Die Kraftlosigkeit in allen Gliedern hielt bei einer Person zwei Tage, bei einer anderen noch länger an.


Lehrbuch der Biologischen Heilmittel, 1938, was written by Dr. Med. Gerhard Madaus.