Apocynum cannabinum. Hanfartiger Hundswürger. Apocynaceae.

Botanical name: 

Photo 047. Hanfartiger Hundswürger. Photo 048. Hanfartiger Hundswürger, Wurzeln. Karte 034. Apocynum cannabinum. Name: Apocynum cannábinum L. (= Apocynum hypericifolium Ait.). Hanfartiger Hundswürger, hanfartiger Hundskohl, amerikanischer Hanf. Französisch: Chanvre du Canada; englisch: Canadian dog's bane, Indian hemp; italienisch: Canapa acquatica; tschechisch: Toješt konopná.

Namensursprung: Der von Dioskurides für den "Aufrechten Hundswürger" gebrauchte Gattungsname ist aus griechisch άπ_ (apó) (fort) und χ_ων (kýon) = Hund gebildet worden, weil angenommen wurde, daß die Pflanze für Hunde giftig sei; cannabinum = hanfartig.

Botanisches: Die bis 1 m hohe, ausdauernde, strauchartige Pflanze ist in Nordamerika heimisch. Sie hat bis 10 cm lange schmaleiförmige Blätter. Ihre Kronröhre ist so lang wie der Kelch und hat aufrechte Kronzipfel. Charakteristisch ist an ihrem Wurzelstock die breite, gelbliche, leicht absplitternde Rinde mit zahlreichen Milchsaftgefäßen. Der Anbau in Deutschland bereitet keine Schwierigkeiten.

Geschichtliches und Allgemeines:

Die Wurzel wurde zuerst von nordamerikanischen Ärzten als Emetikum wie Ipecacuanha und als Diuretikum verwandt. Man gebrauchte sie in Pulverform oder als Abkochung. Zur Verwechslung gab die ähnliche Wurzel des gleichfalls in Nordamerika vorkommenden Apocynum androsaemifolium L. oft Veranlassung.

Aus der Rinde von Apocynum cannabinum und anderen verwandten Arten werden Textilfasern gewonnen. Die Samenwolle kann zum Ausstopfen von Polstern usw. verwandt werden.

Wirkung:

In Amerika bezeichnet man Apocynum cannabinum wegen seiner guten Wirkung bei kardialem Hydrops häufig als "vegetabilisches Trocar" (Brit. Pharm. Cod. 1923, S. 141.).

Potter (Potter, Mat. med., 1898, S. 156.) schreibt ihm großen Wert bei Anasarka infolge Brightscher Krankheit zu und bezeichnet es außerdem als kräftiges Emetikum, Kathartikum und Expektorans.

Aschenbrenner (Aschenbrenner, Die neueren Arzneimittel u. Arzneizubereitungsformen, S. 27, Erlangen 1851.) nennt es auch bei Febris intermittens, Gallenaffektionen, Ruhr und chronischem Rheumatismus.

Eine rasch einsetzende, anhaltende diuretische Wirkung von Apocynum-Wurzel sahen Pawinski (Pawinsky, Nouveaux Remèdes 1904, Nr. 6, S. 121.) und Dmitrenko (Dmitrenko, Rev. de Thérap. 1904, Nr. 14, S. 500.), die das Mittel auch bei Herzklappenfehlern, Myokarditis und zur Regulierung der Herzfunktion bei gestörter Kompensation anwandten.

Auch Kraemer (Kraemer, M. m. W. 1909, S. 2320.) und Fehsenfeld (Fehsenfeld, M. m. W. 1911, S. 141.) berichten von der Behandlung Herzkranker mit Apocynum. Sie setzen es meist in Fällen ein, wo Digitalis versagte.

Als Herztonikum bei Herzmuskelinsuffizienz mit Aszites und Anasarka ist Apocynum besonders dann angezeigt, wenn gleichzeitig Magen- und Darmstörungen bestehen (Stauffer, Klin. hom. Arzneimittell., S. 158; Schmidt, Lehrb. d. hom. Arzneimittell., S. 38.).

Auf homöopathischer Basis wird es bei Zahnungsdiarrhöen und großer Schwäche der Kinder gegeben (Stauffer, Klin. hom. Arzneiwirkungsl., S. 158.).

Das in Apocynum enthaltene Glykosid Cymarin (Impens, Pflügers Arch. Physiol. 1913, Bd. 153, S. 239.) gehört zu den Stoffen der Digitalisreihe und hat eine milde Wirkung auf das Herz, ohne Kumulation zu erzeugen. Es verengt insbesondere die Splanchnikus- und Nierengefäße (Béco u. Dossin, Arch. intern. de Pharm. et de Thér. 1920, Bd. 25, S. 255.). In 1 mg Cymarin sind 1600 Froschdosen enthalten (Vgl. 6).). Weitere Wirkstoffe von Apocynum sind das glykosidische Apocynein und das harzige Apocynin (beide toxisch) (Schmiedeberg, Arch. f. exp. Path., 16, S. 161, 1882/83.).

Der Milchsaft der Pflanze entzündet, wie schon Orfila (Orfila, Allgem. Toxicologie, 1818, Bd. 3, S. 105.) feststellte, die Haut und verursacht Ulzerationen.

Nach Verabreichung der Wurzel traten leichte Magenreizung (Goloubine, XII. internat. med. Kongr. in Moskau, 1897; Riebold, M. m. W. 1910, Bd. 36.) und auch gastrische Ulzerationen auf (Vgl. 1).), bei größeren Dosen Nausea, Vomitus, Diarrhöe, Somnolenz, Gedächtnisschwäche und optische Halluzinationen (Pawinsky, Allg. med. Ztg. 1904, S. 34.). Das Mittel verengt die Gefäße und erhöht den Blutdruck (Vgl. 1).).

Nach Munch und Crantz (Munch u. Crantz, J. Amer. pharm. Ass., 23, 988-96, Okt. 1934.) erwies sich Apocynum cannabinum und seine Zubereitungen in dem 1-Stde.-Froschversuch doppelt so wirksam wie die Digitalis und die entsprechenden Zubereitungen.

Anwendung in der Praxis auf Grund der Literatur und einer Rundfrage:

Apocynum cannabinum wird bei Herzleiden in Verbindung mit Hydropsien eingesetzt. Einzelindikationen sind: Herzinsuffizienz mit Aszites und Anasarka, Herzklappenfehler, Myokarditis, Dilatio cordis und Herzklopfen. So hatte William, Danzig, bei Herzerweiterung, Leberschwellung und hochgestelltem Urin durch Verabreichung von Apocynum im Wechsel mit Chinin. und Arsen. D 3 ausgezeichnete Resultate. Franke schreibt, daß ihm das Mittel in 9 Fällen von Aszites (vornehmlich bei weiblichen Patienten), die mit großer Schwäche, kaltem Schweiß, Erbrechen und Benommenheit einhergingen, gute Dienste geleistet habe. Als zusätzliches Mittel gab er dreimal täglich 1 Tasse Gurkenschalenabkochung. Auch bei renalem Hydrops wird Apocynum gelobt, doch wurde es auch verschiedentlich bei Hydrops, wie Junghans, Halle, u. a. berichten, ohne Erfolg verordnet.

In kleinen Gaben ist Apocynum angezeigt bei Sommer- und Zahnungsdiarrhöen, Enteritis und Blasenschwäche. Auch Menstruationsstörungen (Amenorrhöe und Menorhagien) können, falls Apocynum in richtiger Dosis eingesetzt wird, günstig beeinflußt werden. Schließlich werden als Indikationen noch Bronchialkatarrh und von E. Meyer, Berlin, Pleuritis genannt.

Als Wechselmittel wird in erster Linie Helleborus empfohlen, doch werden auch Crataegus, Betula und Apis genannt.

Angewandter Pflanzenteil:

In der Literatur (Geiger, Dragendorff, Potter, The Brit. Pharm. Codex u. a.) wird nur die Verwendung der Wurzel bzw. des Wurzelstockes angegeben. Auch das "Teep" wird aus dem frischen Wurzelstock hergestellt. Die homöopathische Urtinktur nach dem HAB. wird ebenso gewonnen (§ 3).

Dosierung:

Übliche Dosis:
0,06-0,3 g (Brit. Pharm. Cod.);
0,3-1,8 g des Pulvers (Potter);
10-30 Tropfen des Fluidextraktes dreimal täglich (Hager).
1 Tablette der Frischpflanzenverreibung "Teep" dreimal täglich.
(Die "Teep"-Zubereitung ist auf 10% Rhiz. Apocyni cannabini eingestellt, d. h. 1 Tablette enthält 0,025 g Pflanzensubstanz.)

In der Homöopathie:

dil. D 4, dreimal täglich 10 Tropfen.

Maximaldosis:

Nicht festgesetzt, doch können größere Dosen Magen- und Darmreizungen hervorrufen (Hager).

Verträglichkeitsprüfung am Gesunden:

Zwei Prüflinge nahmen auf meine Veranlassung "Teep" D 2 (3 Tabletten). Nach zwei Stunden stellten sich bei beiden Magenschmerzen ein.


Lehrbuch der Biologischen Heilmittel, 1938, was written by Dr. Med. Gerhard Madaus.