Castanea vesca. Eßkastanie. Fagaceae.
Name: Castánea sativa Mill. (= C. vesca Gaertn., = C. vulgaris Lam., = C. castanea Karst., = Fagus castanea L.). Edelkastanie, Echte Kastanie. Französisch: Châtaignier, ch. à fruits comestibles; englisch: Chestnut; italienisch: Castagno; dänisch: Ägte Kastanje; polnisch: Kasztan slodki; russisch: Sladkij Kasztan; tschechisch: Kaštan jedlý; ungarisch: Edes gesztenye.
Namensursprung: Castanea kommt von χ_στανον (kástanon), dem griechischen Namen des Baumes, den er von Kastana, einer Stadt in Pontus, wo er schon sehr früh kultiviert wurde, erhalten haben soll; sativa = gesät oder angepflanzt. Kastanie (althochdeutsch chestinna, mittelhochdeutsch chesten) ist Lehnwort aus dem gleichbedeutenden lateinischen castanea.
Volkstümliche Bezeichnungen: Der Name Kastanie ist in der oberdeutschen Form "Kesten" (in Tirol: Kescht'n, Köscht'n, in der Schweiz: Chestene, Chistene, Kistelä, Kistenä) in möglichst heimische Form umgekleidet. Der Göttinger bringt diese Verdeutschung sogar bis zur "Kristanje". Die stachelige Frucht heißt in der Schweiz auch Chestenen-Igel. Der italienische Name der Kastanienfrucht "marrone" ist in einigen Umformungen auch ins Deutsche gedrungen.
Botanisches: Der in Kleinasien beheimatete und im Mittelmeergebiet bestandbildende bis zu 35 m hohe, sehr kalibedürftige Baum mit glatter, olivenbrauner Rinde, die später in längsrissige, bräunlich-graue Borke übergeht, verlangt zu seinem Gedeihen frischen, lockeren tiefgründigen und kieselsäurereichen Boden und mildes Klima. In kälteren Gegenden reifen die Früchte überhaupt nicht. Die 8-25 cm langen, etwas lederartigen länglich-lanzettlichen Laubblätter sind stachelspitzig gezähnt; die männlichen Blüten stehen, zu Knäueln vereinigt, in aufrechten Kätzchen, die weiblichen meist einzeln am Grunde der männlichen Scheinähren. In der im Herbst vierklappig aufspringenden, außen dicht weichstacheligen Fruchthülle liegen die dunkelbraunen, glatten Trockenfrüchte eingeschlossen. Die Vermehrung des Kastanienbaumes geschieht meist durch Schößlinge, die mittels Rindenröhren veredelt werden. Vom 10. bis 40. Jahre wächst die Kastanie am stärksten, später nimmt nur ihr Dickenwachstum zu. Auf dem Aetna trifft man Bäume bis zu 60 m Kronenumfang an. Auffallend ist ihre Drehwüchsigkeit: Brunlus beobachtete bei etwa 93% der Bäume eine Stammdrehung in umgekehrter Uhrzeigerrichtung. Blütezeit: Juni.
Geschichtliches und Allgemeines:
Nach Zitaten verschiedener griechischer und römischer Schriftsteller kann angenommen werden, daß bessere, wohlschmeckende Kastaniensorten erst etwa im 5. Jahrhundert v. Chr. von Kleinasien nach Griechenland und von dort später nach Süditalien und Spanien gekommen sind. Dioskurides schreibt von den Früchten von Castanea vesca, die er sardinische Eicheln, Lopima, Kastanien, Mota oder Zeuseicheln nennt, daß sie adstringierend wirken, besonders die zwischen Fleisch und Rinden befindlichen Schalen. - Nach Mitteleuropa ist die Kastanie wohl erst von den Römern zusammen mit der Weinkultur gebracht worden. Im Kapitulare Karls des Großen ist sie aufgeführt, und auch die h l. Hildegard (12. Jahrhundert), die ein Rezept zu einem Trank aus Blättern und Rinde der Kastanie gegen die Viehseuche "schelmo" erwähnt, kennt sie. In Frankreich und England dient das Holz der Kastanie zum Schiffbau. Im südlichen Europa bilden die stärkereichen, wohlschmeckenden Früchte neben Mais und Reis ein wichtiges Nahrungsmittel der Bevölkerung.
Wirkung
Schon von Hippokrates (Fuchs, Hippokrates Sämtl. Werke, Bd. 2, S. 337.) und Paracelsus (Paracelsus Sämtl. Werke, Bd. 3, S. 850.) wird die Kastanie angeführt.
Lonicerus (Lonicerus, Kreuterbuch, 1564, S. 94.) warnt Lungensüchtige vor dem Kastaniengenuß, da sie "umb die Brust dämpffen", stopfen und Kopfschmerz verursachen; die Wurzelrinde aber behebe das Sodbrennen.
Matthiolus (Matthiolus, New-Kreuterbuch, 1626, S. 67.) dagegen rühmt die zusammenziehende, trocknende und säubernde Eigenschaft der Kastanien und läßt sie bei Diarrhöen, Blutspeien und zu starken Menses gebraten und mit Pfeffer und Salz bestreut als Aphrodisiakum, äußerlich mit Gerstenmehl und Essig zur Zerteilung harter Stellen der Brüste verwenden. Zu starker Genuß wirke blähend.
Ähnliche Indikationen geben auch v. Haller (v. Haller, Medicin. Lexicon, 1755, S. 335.) und Osiander (Osiander, Volksarzneymittel, S. 325, 393.) an, die ebenfalls nur die Früchte nennen.
Lassjadkó (Lassjadko, zit. b. Kobert, Lehrb. d. Pharmakother., S. 659.) fand, daß der Genuß von Eßkastanien manchmal günstig gegen Albuminurie wirke.
In der amerikanischen Medizin werden die Blätter der Castanea dentata erfolgreich gegen Pertussis angewandt (Potter, Mat. med., S. 216.).
Auch Schulz (Schulz, Wirkg. u. Anwendg. d. dtsch. Arzneipfl., S. 93.) erwähnt diese Anwendungsart, und Günther (Günther, Biol. Heilkunst 1931, S. 475.) hatte in zahlreichen Fällen von Keuchhusten in Verbindung mit Durchfällen prompte Erfolge mit der Verordnung der Tinktur.
Vollmer (Vollmer, Klin. Wschr. 1932 I, S. 590.) beobachtete nach Verabfolgung von Castanea vesca Wasseranreicherung in der Lunge.
Die Kastanienblätter enthalten u. a. bis zu 9% Gerbstoff (Steltzner, Am. J. Pharm. 1880, 52, 292.), ferner Glykoside, Fette, Pectinstoffe (Colin and Grandsire, Compt. Rend. 1924, 179, 288 (C. C. 1924, II, 1476); Bull. Ass. Chim. Sucr Dist. 1926, 43, 340 (C. C. 1926, II, 1534).).
Die Rinde enthält Phytosterin, gelbrote amorphe Harzkörper, Fettsäuren, Phlobaphene, Gerbstoffe und Invertzucker (Danoff u. Zellner, Monatsh. Chem., 59, 307, 1932.).
Anwendung in der Praxis auf Grund der Literatur und einer Rundfrage:
Die Blätter der Castanea vesca werden vorwiegend gegen Pertussis, Krampf- und Reizhusten verordnet.
Die Früchte und Rinde werden bei Gastroenteritis, Hämoptoe, Epistaxis, Lumbago und Hydrops infolge Brightscher Nierenkrankheit verordnet.
Angewandter Pflanzenteil:
Lonicerus warnt vor dem zu ausgedehnten Genuß der Kastanien und empfiehlt die Wurzelrinde gegen Sodbrennen.
Matthiolus, v. Haller und Osiander verordnen nur die Früchte.
Potter nennt die Blätter der Castanea dentata als Keuchhustenmittel.
Auch nach Schulz sollen die Kastanienblätter früher viel gegen Keuchhusten gebraucht worden sein.
Zörnig empfiehlt die im Oktober oder September gesammelten Blätter.
Zur Bereitung der Medikamente für Pertussis sind besonders die frischen Blätter zu empfehlen, aus denen auch das "Teep" hergestellt wird. Homöopathische Urtinktur nach dem HAB.: Frische Blätter (§ 3).
Dosierung:
- Übliche Dosis:
In der Homöopathie:
Maximaldosis:
Rezepte:
Bei Pertussis:
- Rp.:
1 Teelöffel voll wiegt 1 g. Der Tee kann kalt und heiß bereitet werden unter Verwendung von 1-2 Teelöffel voll auf 1 Teeglas.).
Bei Diarrhöe (nach Dinand):
- Rp.:
Bei Pertussis (F. M. Germ.):
- Rp.:
Oder (Hamb. Vorschr.):
- Rp.:
Oder (nach Kroeber):
- Rp.:
Lehrbuch der Biologischen Heilmittel, 1938, was written by Dr. Med. Gerhard Madaus.