Mentha pulegium. Polei-Minze. Labiatae.
Name: Méntha pulégium L. (= Pulegium vulgare Miller). Polei, Poleiminze, Flöhkraut. Französisch: Pouliot, herbe aux puces, chasse-puces, herbe de Saint-Laurent; englisch: Penny royal, pudding grass; italienisch: Puleggio, pulezzo, polezzo; dänisch: Polei-Mynte; polnisch: Polej; russisch: Polej; schwedisch: Poleijmynta; tschechisch: Polej; ungarisch: Bolhamenta.
Weiteres Vorkommen: Ägypten, Abessinien, Teneriffa, Madeira. Kultiviert und verwildert in Nord-Mittel-u. Südamerika.
Namensursprung: Erklärung zu Mentha s. Mentha piperita. Pulegium, der lateinische, schon von Cicero, Pliniusu. a. gebrauchte Name der Pflanze wird meistens von pulex = Floh und agere = treiben abgeleitet, weil die Pflanze seit dem Altertum zum Vertreiben der Flöhe benutzt wurde. Das Wort Polei stellt ein Lehnwort des lateinischen pulegium dar.
Botanisches: Die Poleiminze treibt aus einer dünnen Grundachse sowohl unterirdische, beschuppte, wie auch oberirdische, belaubte Ausläufer. Die meist schwach flaumig behaarten Sprosse haben starken, scharf aromatischen Geruch und sind hellgrün. Stengel meist aufsteigend, seltener aufrecht oder niederliegend, mehr oder weniger ästig, 10-30 cm lang mit Luftkanälen in der Rinde, die Internodien etwa so lang bis mehrmals länger als die Laubblätter. Diese kurzgestielt, elliptisch bis schmal-eiförmig-elliptisch, etwa 1-3 cm lang und 1/3 bis 1 cm breit, meist abgerundet, mit nur ein bis drei Paar schwachen, bogigen Fiedernerven und ebenso vielen seichten Kerbzähnen, nicht selten auch ganzrandig. Blüten in kugeligen, ziemlich lockeren, blattachselständigen Scheinquirlen. Kelch röhrig mit etwa 2 mm langen, im Schlunde bärtigen Röhren und zehn etwas vorspringenden Nerven, dreizähniger, etwas aufwärts gekrümmter Oberlippe und zweispaltiger, gerade vorgestreckter Unterlippe. Die Krone ist violett, seltener weiß, außen kahl oder flaumig, mit sich plötzlich erweiternder, unterseits ausgesackter Röhre, mit schwach entwickeltem Haarring und verkehrt-eiförmigen, den Kelch weit überragenden Lappen. Blütezeit: Juli bis September.
Die Pflanze ist sehr verbreitet im ganzen Mittelmeergebiet und geht in den eurasischen Stromtälern weit nach Norden. Sie ist an sehr nasse Standorte gebunden und vermag auch mehrere Monate unter Wasser zu vegetieren. Sie wächst im Anbau aber auch auf trockenem Gelände. Sie bevorzugt kalkarmen Sandboden, kommt aber auch in Salzsümpfen vor. In Deutschland tritt sie nur sehr vereinzelt und zerstreut auf. Der scharfe Geruch rührt von dem bereits im 16. Jahrhundert gewonnenen Poleiöl her.
Geschichtliches und Allgemeines:
Mentha pulegium gehört zu den schon im Altertum angewandten Arzneimitteln und wird von Hippokrates, Dioskurides, Apicius Caelius, Plinius u. a. häufig erwähnt. Dioskurides empfiehlt die Pflanze γλ_χων (glechon) u. a. als Emmenagogum, Abortivum, mildes Purgans, gegen Milzleiden und den Biß giftiger Tiere, als Umschlag bei Entzündungen und Hautunreinigkeiten. Auch war den alten Schriftstellern die Verwendung des Polei als Gewürz bekannt. Das Riechmittel bei Ohnmachten bestand bei den Griechen aus Mentha pulegium. Man schrieb schon damals den Minzen eine belebende, aufmunternde Wirkung zu, die so stark sei, daß selbst Schafe und Ziegen zu blöken anfingen, wenn sie davon fräßen. Die Minzen wurden darum auch Blökkraut genannt.
Im Mittelalter wurde der arzneiliche Gebrauch der Pflanze, die schon im Capitulare Karl des Großen aufgeführt ist, fortgesetzt. In Walafrids "Hortulus" wird sie als Mittel gegen Magenbeschwerden genannt. Auch sollen die Poleizweige als Schutz vor den Folgen der Sonnenhitze um den Kopf gebunden werden. Die hl. Hildegard (12. Jahrhundert) nennt sie poleya, K. v. Megenberg (14. Jahrhundert) Poley und die ältere angelsächsische Literatur pollegie, dwostle, dweorge. Die Schule von Salerno schreibt über sie:
Noch im 16. Jahrhundert wurde die Pflanze viel gerühmt und als Desinfiziens, Karminativum, Exzitans-Digestivum, Kosmetikum, Emmenagogum usw. empfohlen, während sie heute nur selten gebraucht wird. Auch in China, Cochinchina und Chile ist die Verwendung des Polei als Arzneimittel bekannt.
Wirkung
Bei Hippokrates (Fuchs, Hippokrates Sämtl. Werke, Bd. 1, S. 329, Bd. 2, S. 366, 482, Bd. 3, S. 327, 354, 371, 381, 459, 464, 585.) fand Polei recht häufig Anwendung als Purgans, Diuretikum und Uteruseinlage.
Als Diuretikum, insbesondere bei Diabetes, wurde er auch von Paracelsus (Paracelsus Sämtl. Werke, Bd. 2, S. 576.) verordnet.
Lonicerus (Lonicerus, Kreuterbuch, 1564, S. 190 C.) weiß eine lange Reihe von Heilwirkungen aufzuzählen, von denen vor allem die ohnmacht- und schlafwidrige, erfrischende, expektorierende und die Wirkung als Emmenagogum, bei Verdauungsschwäche, Vomitus und Hämorrhagien interessieren; er warnt zugleich davor, Schwangeren das Mittel zu geben, weil es abortiv wirken könne.
Diesen Indikationen fügt Bock (Bock, Kreutterbuch, 1565, S. 9.) noch Gallenleiden und Weißfluß zu; äußerlich gebraucht er Polei als Gurgelmittel bei Angina tonsillaris und Aphthen.
Matthiolus (Matthiolus, New-Kreuterbuch, 1626, S. 240.) empfiehlt ihn weiterhin gegen Podagra und Milzsucht. Unter die Nerven- und Magenkräuter rechnet v. Haller (v. Haller, Medicin. Lexicon, 1755, S. 1156.) den Polei, dem auch auflösende, eröffnende und emmenagoge Kraft zukomme und der bei hartnäckigstem Husten und Heiserkeit, bei Uterusaffektionen und "Grimmen" gerühmt werde.
Hecker (Hecker, Pract. Arzneimittell., 1814, Bd. 2, S. 92.) kennt nur den Gebrauch bei Brustbeschwerden, insbesondere Pertussis.
Die Volksmedizin kennt Polei !X!ls menstruationsförderndes Mittel (Osiander, Volksarzneymittel, 1829, S. 345.) und verwendet ihn auch gegen Leibschmerzen; er ist ferner Bestandteil des sogenannten "Holländischen Blutreinigungstees" (Dinand, Handb. d. Heilpflanzenkunde, 1926, S. 177.).
Aus seiner Eigenschaft, Hyperämie, in größeren Dosen auch entzündliche Ausschwitzungen und Blutungen der Harnwege, des Dickdarms und der Genitalien hervorzurufen, erklärt sich wohl die volkstümliche Anwendung als Abortivum (Kobert, Lehrb. d. Pharmakother., S. 633.).
Das neben Menthol und Azulen (Wehmer, Pflanzenstoffe, S. 1069.) etwa 80% Pulegon (Beckmann u. Pleißner, Ann. Chem. 1891, Bd. 262, S. 1.) enthaltende Oleum Pulegii entfaltet phosphorähnliche Wirkung (Falk, Ther. Mon. 1890, S. 448.) und erzeugt bei Tieren hochgradige Leber-, Nieren- und Herzverfettung (Arbeiten aus dem Gesundheitsamt XV, 3; Lindemann, Naunyn-Schmiedebergs Arch. f. exp. Path. u. Pharm. 1899, Bd. 42, S. 356.); der Blutdruck wird jedoch anfänglich gesteigert und die Herztätigkeit infolge zentraler Vagusirritation erhöht (Kobert, Lehrb. d. Intoxik., S. 432.). Nach 5 g des Öles traten Kollaps, Besinnungslosigkeit, Salivation und unregelmäßige schwache Herztätigkeit auf (Lewin, Gifte u. Vergiftungen, 1929, S. 840.). Polei gilt als einziges pflanzliches Mittel, das experimentell ein an perniziöse Anämie erinnerndes Blutbild erzeugt.
Bei einer Graviden sah Marshall (Marshall, Brit. med. Journ. 1890, S. 542.) nach Einverleibung von 11,69 g Öl schweren Kollaps und Abort eintreten.
Balansard (Balansard, Bull. des Sciences pharmacol. 1936, Nr. 43, S. 148.) fand in Mentha pulegium geringe Mengen Glukosid und 0,14% saures Saponin. In den Blättern wurde auch Diosmin nachgewiesen (Oesterle u. Wander, Helvet. Chim. Acta 1925, 8, 519.)
Anwendung in der Praxis auf Grund der Literatur und einer Rundfrage:
In der heutigen Heilkunde wird Mentha pulegium nur noch selten angewandt. Vereinzelt wird sie als Emmenagogum und Expektorans, bei Dyspepsie, Gastritis, Hepato- und Nephropathien, Hydrops, Ikterus, Gicht und zur Blutreinigung genannt. Polei wirkt auf die Leber stärker als Mentha piperita. Er wird in der Homöopathie empfohlen bei habitueller Neigung zu Ohnmachten vegetativ labiler Individuen. Zu versuchen bei perniziöser Anämie.
Angewandter Pflanzenteil:
Auch bei Mentha pulegium ist die Verwendung des blühenden Krautes unbestritten. Das HAB. läßt die blühende Pflanze ohne Wurzel verwenden (§ 3) und auch das "Teep" wird aus der frischen Pflanze ohne Wurzel bereitet. Das über die Ernte bei Mentha piperita Gesagte dürfte auch für Herba Menthae pulegii zutreffen. Erntezeit: August bis September.
Herba Menthae pulegii ist offizinell in Portugal und Mexiko.
Dosierung:
- Übliche Dosis:
Maximaldosis:
Rezepte:
Bei Amenorrhöe:
- Rp.:
1 Teelöffel voll wiegt 1 g.)
Holländisches Blutreinigungsmittel (mod. v. Verf.):
- Rp.:
Bei Nervenleiden (nach Dinand):
- Rp.:
Lehrbuch der Biologischen Heilmittel, 1938, was written by Dr. Med. Gerhard Madaus.