Passiflora incarnata. Passionsblume. Passifloraceae.

Botanical name: 

Name: Passiflóra incarnáta L. Fleischfarbige Passionsblume. Französisch: Fleurs de la Passion, Granadille; englisch: Passion Flower; dänisch: Passionsblomst; polnisch: Męczennica; russisch: Muczenica; schwedisch: Kristi korsblomma; tschechisch: Mučenka nachová.

Weiteres Vorkommen: In den Tropen Indiens.

Namensursprung: Passiflora wird abgeleitet vom lateinischen passio = Leiden und flos = Blume. Der Name ist von den Missionaren in Südamerika in Verbindung mit einer angeblichen Darstellung der Werkzeuge der Kreuzigung in den Blüten geprägt worden. So verglich der 1653 zu Siene gestorbene Jesuit Ferrari diese Blume in seiner Schrift "De florum cultura", 1633, mit den Attributen oder Marterwerkzeugen Christi. Nach diesem stellen die drei Narben die Nägęl dar, der Fadenkranz die Dornenkrone, der gestielte Fruchtknoten den Kelch, die fünf Staubbeutel die Wundmale, die Laubblätter die Lanze, die Ranken die Geißeln und die weiße Farbe die Unschuld des Erlösers.

Botanisches: Diese schöne, ausdauernde Kletterpflanze wird drei bis neun Meter lang. Sie hat holzige, längsgestreifte Stengel mit grauer Rinde. Ihre Heimat ist der Süden der Vereinigten Staaten von Virginien bis Florida und Texas im Süden und im Westen bis zum Missouri, wo sie in Gebüschen auf trockenem Gelände vorkommt. Die tief dreilappigen kahlen Blätter sind am Grunde etwas keilförmig. Die Lappen sind lanzettlich und gesägt. Die eigenartige Blüte hat einen Durchmesser von etwa 8 cm. Sie besitzt fünf oberseits weißliche Kelchblätter. Mit den Kelchblättern abwechselnd stehen die fünf weißen Kronenblätter von etwa gleicher Größe. Die Blütenhüllblätter sind flach ausgebreitet. An ihrem Grunde sind sie zu einem kesselförmigen Behältnis miteinander verwachsen. Aus ihm erhebt sich die stielartig verlängerte Blütenachse etwa 1 cm hoch. Diese trägt an der Spitze den eiförmigen Fruchtknoten mit drei weit auseinander spreizenden Griffeln, die sich am Ende zu einer kopfförmigen Narbe verdicken. Dicht unterhalb des Fruchtknotens spreizen die Staubfäden bogig auseinander. Sie sind auf grünlichem Grunde tiefrot punktiert. Mehrere Reihen papillöser Fäden versperren für kleinere Insekten den Weg zum Nektar. Die wohlriechenden Blumen sind nur einen Tag lang geöffnet und stark protandrisch. Sie stehen einzeln in den Achsen der Blätter. Die Frucht ist eine ovale, apfelgroße, blaß orangegelbe Beere. Blütezeit vom Juli bis in den September. Von Passiflora coerulea, einer anderen Passionsblumenart, ist sie leicht zu unterscheiden, da diese eine blaue Blumenkrone und tief fünflappige Blätter besitzt.

Geschichtliches und Allgemeines:

Phares (1867) hat zum ersten Male auf die schmerzstillende Wirkung der Passionsblume hingewiesen. Das Dekokt der Wurzel soll Hunde in 40 Minuten töten, Hühner epileptisch machen und Eidechsen in Starrkrampf verfallen lassen.

Wirkung

Die erste größere Arbeit über die Wirkung der Passiflora stammt von Stapleton (Stapleton, The action of Passiflora incarnata, Detroit. med. Journ. 1904.). Er bestätigte die schon von Phares gefundene sedative Wirkung und hatte gute Erfolge bei der Schlaflosigkeit der Hysteriker, Neurastheniker und Alkoholiker. Bei Schlaflosigkeit, die durch Schmerzen bedingt ist, kann sie versagen, bewährt sich dagegen, wenn eine zerebrale Reizung der Grund der Schlaflosigkeit ist.

Leclerc (H. Leclerc, Précis de Phytothérapie, S. 254, Paris 1927.) fand die Pflanze recht wirksam, um die nervösen Unruhen des Klimakteriums, die vom Sympathikus ausgehen, zu bekämpfen und zur Heilung der Schlaflosigkeit der Gripperekonvaleszenten. Die Anwendung hat nach ihm den Vorteil, daß ein Schlaf hervorgerufen wird, der dem normalen sehr ähnelt und keine nervöse Depression, keine Benommenheit der Sinne oder des Geistes verursacht. Die Kranken, die dieses Mittel einnehmen, wachen ebenso erfrischt wie nach einem gesunden Schlaf auf. Als homöopathische Indikationen gibt Schmidt (Schmidt, Lehrb. d. hom. Arzneimittell., S. 241.) Hirn- und Rückenmarksreizung, Krämpfe, Neuralgien, Schlaflosigkeit, Delirien, Delirium tremens, Aufregungszustände bei Morphinismus, Angina pectoris und Dysmenorrhöe an.

Stauffer (Stauffer, Klin. hom. Arzneimittell.: S. 751.) und Schirmer (Schirmer, Biologische Heilkunst 1931, S. 764.) konnten das Mittel gelegentlich erfolgreich bei Neuralgien und Schlaflosigkeit anwenden.

In Brasilien (Guertzenstein, Arztlicher Führer durch die brasilianische Pflanzenmedizin, S. 238.) gilt es als gutes Sedativum, das bei Keuchhusten, Asthma, hartnäckigen Hustenanfällen, Bronchitis, heftigen Kopfschmerzen, Krämpfen der Kinder, Zahnkrämpfen und insbesondere bei Schlaflosigkeit der Geistesarbeiter erfolgreich angewandt wird.

In einigen Passifloraceen vermutet man eine narkotische Substanz, die aber noch nicht isoliert werden konnte (Dragendorff, Die Heilpfl. d. versch. Völker u. Zeiten, S. 452.).

In den Blättern verschiedener Passifloraarten wurde Blausäure nachgewiesen (Wehmer, Pflanzenstoffe, II, 1931, S. 805.).

Anwendung in der Praxis auf Grund der Literatur und einer Rundfrage:

Passiflora wirkt beruhigend, schmerz- und krampfstillend. Sie wird angewandt bei nervöser Schlaflosigkeit, Krämpfen (Epilepsie, Eklampsie, Tetanus), Delirium tremens, Neuralgien, Neurasthenie, Herzneurosen, Pertussis und Asthma.

Auch zur Entwöhnung von Morphium, Alkohol und Nikotin, ferner bei Schlaflosigkeit nach Grippe wird die Passionsblume empfohlen. Doch muß gesagt werden, daß das Mittel sich durchaus nicht immer als zuverlässig erwiesen hat, wie dieses auch aus mehreren Zuschriften (Bartels, Janke, Glimm) hervorgeht. Ebenso sah Mühlschlegel, Stuttgart, bei nervöser Schlaflosigkeit nur in etwa der Hälfte der Fälle Erfolg. Zur Entwöhnung von Narkotika zieht er Avena sativa der Passiflora vor. Die geringere Wirkung könnte auf Fehlern der Herstellung der Zubereitungen beruhen. Die Pflanze muß vor der Blüte in ihrem Frischzustande verarbeitet werden, da sie sonst in der Wirkung leidet. Passiflora wird häufig im Wechsel oder in Verbindung mit Avena sativa und Valeriana gegeben.

Schematische Darstellung der Häufigkeit der Anwendung von:

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Angewandter Pflanzenteil:

Heinigke und Clarke empfehlen die im Mai gesammelten Blätter der Passionsblume. Schmidt, Stauffer, die amerikanische Homöopathische Pharmakopöe sowie das HAB. (§ 3) lassen das frische Kraut verwenden. Zur Bereitung des "Teep" wird das frische, vor der Blütezeit geerntete Kraut verwendet.

Dosierung:

Übliche Dosis:
30-50 Tropfen des alkoholischen Auszuges vor dem Schlafengehen (Leclerc).
2-3 Tabletten der Frischpflanzenverreibung "Teep" abends vor dem Schlafengehen.
(Die "Teep"-Zubereitung ist auf 50% Pflanzensubstanz eingestellt, d. h. 1 Tablette enthält 0,125 g Hb. Passiflorae incarnatae.)

In der Homöopathie:

Ø bis dil. D 1.

Maximaldosis:

Nicht festgesetzt.

Rezepte:

Als Sedativum und Antispasmodikum:

Rp.:
Hb. Passiflorae incarnatae . . . 50 (= Passionsblumenkraut)
D.s.: 1 Teelöffel voll mit 1 Glas Wasser kalt ansetzen, 8 Stunden ziehen lassen und abends trinken.
(Teezubereitung: Der aus dem Kraut im Verhältnis 1:10 heiß angesetzte Tee gibt einen Extraktgehalt von 2,27%, der kalt bereitete 2,29%. Der Glührückstand beträgt im ersten Falle 0,52%, im zweiten Falle 0,50%. Die Peroxydasereaktion ist in beiden Fällen negativ. Im Geschmack zeigt sich kein Unterschied zwischen beiden Zubereitungen. Ein Tee im Verhältnis 1:50 angesetzt ist noch trinkbar.
1 Teelöffel voll wiegt 2,2 g, so daß der Tee mit einem Teelöffel voll auf 1 Teeglas kalt angesetzt wird.).
Rezepturpreis ad chart. etwa -.77 RM.

Lehrbuch der Biologischen Heilmittel, 1938, was written by Dr. Med. Gerhard Madaus.