Saxifraga granulata. Körniger Steinbrech. Saxifragaceae.

Botanical name: 

Name: Saxífraga granuláta L. (= S. granulata L. subsp. eu-granulata Engler et Irmscher, = Evaiezoa granulata Raf.). Körniger Steinbrech, Knöllchen-Steinbrech. Französisch: Casse pierre, perce-pierre, herbe à la gravelle; englisch: Meadow saxifrage, break-stone; dänisch: Stenbräk; norwegisch: Myresildre; polnisch: Łomikamień; russisch: Kamnielomka; schwedisch: Stenbräcka, Mandelblomma; tschechisch: Lomikámen zrnaty; ungarisch: Kötörö.

Namensursprung: Der Gattungsname Saxifraga wird vom lateinischen saxum = Felsen und frangere = brechen abgeleitet, und zwar nach der einen Erklärung, weil die Pflanzen der Gattung vielfach ihren Standort auf Felsen haben, die sie scheinbar zerklüften können, nach der anderen, weil einige Arten, darunter hauptsächlich Saxifraga granulata, gegen Steinleiden verwendet wurden; granulata = körnig wegen der kleinen Knöllchen oder Körnchen an den Wurzeln.

Volkstümliche Bezeichnungen: Im Volke wird unsere Art, die übrigens nicht auf steinigem Boden und Felsen wächst, noch gegen Steinbeschwerden verwendet, daher Steinkraut (Nordböhmen) genannt. Auf die Gestalt der Blätter beziehen sich Gösefoot (Gänsefuß) (Oberweser), vielleicht auf die mandelähnlichen Brutknollen Mandelbloom (Schleswig), auf die Farbe der Blüte Semmelmilch (Vogtland). Nach dem oben klebrigen Stengel heißt die Pflanze im Riesengebirge weiße Wenschmerblume = Wagenschmierblume.

Botanisches: Die ausdauernde, in Europa beheimatete Pflanze gedeiht unter sehr verschiedenartigen Standortsbedingungen, auf feuchten bis trockenen Wiesen und auf kieseliger bis kalkreicher, aber nicht auf steiniger Unterlage. Ihre tiefgekerbten nierenförmigen Grundblätter stehen in lockerer Rosette. Die locker rispigen Stengel werden 20-50 cm hoch und tragen zwei bis sechs entfernt stehende Blätter. Am Grunde des Stengels finden sich zahlreiche rundliche Brutknöllchen. Stengel und Laubblätter sind drüsig klebrig. Die großen fünfzähligen Blüten sind milchig weiß. Blütezeit: Mai bis Juni.

Saxifraga granulata steht in Deutschland teilweise (unterirdische Teile, Rosette) unter Naturschutz.

Geschichtliches und Allgemeines:

In der Heilkunde des Altertums scheint die Saxifraga granulata unbekannt gewesen zu sein, dafür zählt sie im Mittelalter zu den beliebten Arzneimitteln. Schon die hl. Hildegard (12. Jahrhundert) und Paracelsus wissen von der Verwendung gegen Steinleiden zu berichten, ebenso findet sie in den späteren Kräuterbüchern Erwähnung. Gebraucht wurde die Wurzel wegen ihrer körnigen Beschaffenheit, seltener das Kraut und die Blumen, unter dem Namen Semen vel potius Radix, Herba et Flores Saxifragae albae.

Wirkung

Saxifraga wird bereits von der hl. Hildegard (Der Äbtissin Hildegard Causae et Curae, S. 191, 195.) und von Paracelsus (Paracelsus Sämtl. Werke, Bd. 2, S. 25, 605, 613, Bd. 3, S. 191.) als Mittel gegen Steinleiden erwähnt.

Lonicerus (Lonicerus, Kreuterbuch, 1564, S. 293.) beschreibt sie als fieberwidrig, steinlösend, leber-, nierenund blasenreinigend und wirksam gegen Harnträufeln.

Matthiolus (Matthiolus, New-Kreuterbuch, 1626, S. 334.) macht die gleichen Angaben.

Auch v. Haller (v. Haller, Medicin. Lexicon, 1755, S. 1207.) berichtet, daß er dem Steinbrech eine "harntreibende und steinzermahlende Kraft" zuschreibe, auch verdünne die Pflanze den zähen Schleim und werde daher in Brustzuständen gebraucht.

Die Saxifragaceen enthalten häufig das Bergenin, das in seiner Wirkung zwischen Bleinin und Salicin steht (Garreau u. Machelart, Jahrb. f. Ph. 1881/2, S. 193.); ob es auch in Saxifraga granulata enthalten ist, steht nicht fest, da dessen Bestandteile unbekannt sind (Thoms, Handb. d. pr. u. wiss. Pharm., Bd. V, S. 990.).

Verwendung in der Volksmedizin außerhalb des Deutschen Reiches (nach persönlichen Mitteilungen):

Dänemark: Bei Milz- und Leberleiden, Gelbsucht, Harnsteinen, Diarrhöe; äußerlich bei Haarausfall und Schlangenbiß.

Polen: Das Kraut als Diaphoretikum.

Tschechoslowakei: Der Saft äußerlich gegen Ohrenschmerzen und Schwerhörigkeit, das Kraut gegen Magenkrämpfe.

Ungarn: Bei Nierensteinen.

Anwendung in der Praxis auf Grund der Literatur und einer Rundfrage:

Saxifraga granulata wird bei Grieß- und Steinleiden der Nieren und Blase (Oxalat- und Uratsteine) gegeben, doch ist die Wirkung sehr unsicher. Seltener wird das Mittel bei Cholelithiasis und nach Wenzel bei chronischem Ausschlag verordnet. Pöller, Gevelsberg, gibt bei Nierengrieß und -steinen Saxifraga Ø dreimal 5 Tropfen im Wechsel mit einem Teegemisch aus Genista, Polygonum aviculare, Equisetum und Stram. Avenae; zur Behebung der Kolik: Atrop. sulf. D 3 (20 Tropfen in ¼ l Wasser).

Angewandter Pflanzenteil:

Matthiolus und Lonicerus erwähnen die Verwendung der Pflanze "mit der ganzen Substanz", also auch mit den Wurzelknöllchen.

Diese allein als Semen Saxifragae führt v. Haller als verwendet an.

Nach Geiger sind alle Teile der Pflanze offizinell.

Die hl. Hildegard spricht nur vom "Steinbrech".

Thoms führt Herba Saxifragae granulatae an.

Das HAB. nennt zur Herstellung der Essenz die frische blühende Pflanze (§ 1). Diese wird auch verwendet zur Herstellung des "Teep".

Dosierung:

Übliche Dosis:
3 Teelöffel voll (= 3,3 g) zum heißen Infus täglich.
1 Teelöffel voll der Frischpflanzenverreibung "Teep" dreimal täglich.
(Die "Teep"-Zubereitung ist auf 50% Pflanzensubstanz eingestellt.)

In der Homöopathie:

Ø bis dil. D 1, 10 Tropfen dreimal täglich.

Maximaldosis:

Nicht festgesetzt.

Rezepte:

Bei Steinleiden der Harnorgane:

Rp.:
Hb. Saxifragae granulatae conc. . . . 30 (= Steinbrechkraut)
D.s.: 3 Teelöffel voll mit 2 Glas kochendem Wasser ansetzen, 10 Minuten ziehen lassen und tagsüber schluckweise trinken.
(Teezubereitung: Der Extraktgehalt des im Verhältnis 1 : 10 heiß bereiteten Tees beträgt 1,7% gegenüber 1,5% bei kalter Zubereitung. Der Aschengehalt war in beiden Zubereitungen gleich und betrug 0,20%. Die Peroxydasereaktion ist in beiden Zubereitungen negativ. Geschmacklich erweist sich der heiße Auszug 1 : 100 als bitter, während der kalte keinen bitteren Geschmack zeigt. Das gleiche gilt für einen Auszug 1 : 50, der noch trinkbar ist.
1 Teelöffel voll wiegt 1,1 g. Im Hinblick auf den stärkeren Geschmack des heißen Auszuges empfiehlt es sich, den Tee heiß unter Verwendung von 1-2 Teelöffeln voll auf 1 Teeglas herzustellen.).
Rezepturpreis ad chart. etwa -.46 RM.

Bei Cholelithiasis (nach Türk):

Rp.:
Hb. Saxifragae granulatae (= Steinbrechkraut)
Fol. Menthae piperitae (= Pfefferminzblätter)
Hb. Chelidonii (= Schöllkraut)
Hb. Millefolii (= Schafgarbenkraut)
Hb. Cardui mariani . . . aa 20 (= Mariendistelkraut)
D.s.: 2 Teelöffel voll auf 2 Glas Wasser, vgl. Zubereitung von Teemischungen S. 291.
Rezepturpreis ad chart. etwa 1.28 RM.

Lehrbuch der Biologischen Heilmittel, 1938, was written by Dr. Med. Gerhard Madaus.